Die pennale Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau: Völkisch-nationalistische „NPD“-Schülerschaft strukturiert sich neu in Passau

Veröffentlicht am Do., 01/23/2020 - 16:32

Artikelgliederung

  1. Aktualität & thematische Relevanz

  2. Definition von Schülerschaften & der p. B! Normannia Winterberg

  3. Geschichte, Werdegang & ideologische Einordnung

  4. Führende Mitglieder & ihre politische Verortung

 

1. Neue Relevanz der völkischen Schülerschaft p.B! Normannia Winterberg zu Passau

Die 1906 Gegründete „pennale Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau“ wurde knapp ein Jahrhundert später und nach einigen Jahren der Inaktivität im September 2007 unter Federführung des Passauer NPD-Kreisvorsitzenden Stephan Mühlberger (Senior) und des dem lokalen NPD-Führers Günther Resch (beide ebenfalls „Nationales Forum Passau) reaktiviert.1Nach anfänglicher Aufmerksamkeit und Warnungen vor der neuen „NPD“-Burschenschaft, die wohl als parteipolitisches Rekrutierungsbecken fungieren sollte, wurde es einige Jahre still um die Schülerverbindung, der es offenbar nicht gelang im größeren Umfang junge Menschen zu erreichen. Dies mag auch mit der generellen Überalterung und der zunehmenden Irrelevanz der nationalsozialistischen Partei in Passau und bundesweit in Zusammenhang stehen. Ihre Aktivitäten führte die völkische Burschenschaft jedoch kontinuierlich, wenn auch im Verborgenen weiter. Inzwischen erlangt die Normannia Winterberg zu Passau neue Relevanz. Als Sprecher der rechtsextremen Schülerkorporation fungierte noch im Jahr 2014 der fraktionslose Passauer Stadtrat Oskar Atzinger. Der ex-Republikaner mit engsten Verbindungen in die bayerische extreme Rechte engagiert sich inzwischen in der Passauer AfD, für die er zur Kommunalwahl 2020 als Landratskandidat in der Dreiflüssestadt anzutreten plant. Zuletzt wurde außerdem bekannt, dass sich die pennale Burschenschaft zunehmend aus Reihen der Burschenschaftern der „akademischen Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf“ neu aufstellt. Die Fusion der ebenfalls in Passau aktiven studentischen Verbindung mit der ideologisch ähnlich aufgestellten Schülerschaft kann als Ausweichmanöver für Mitglieder der Markomannia Wien interpretiert werden. Seit der Bekanntgabe deren Einordnung als „rechtsextremistisch“ und ihrer Beobachtung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz im Herbst 2019 bietet die Fusion den Markomannia Mitgliedern die aus verschiedenen Gründen nicht Teil einer vom VS beobachteten Korporation sein möchten mit dem Eintritt in die Normannia Winterberg die Möglichkeit des weiteren Verbleibs im burschenschaftlichen Netz rundum die (durch die VS Beobachtung derzeit weniger attraktive) akademische Burschenschaft Markomannia Wien. Nicht zuletzt deshalb lohnt eine genauere Betrachtung der pennalen Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau.

2. Definiton pennaler Burschenschaften und Überblick über das Selbstverständnis der p.B! Normannia Winterberg zu Passau

Schülerverbindungen (auch Schülerkorporation, Pennalie, Pennälerverbindung, Absolventenverbindung, Mittelschulverbindung oder Gymnasialverbindung) bezeichnen zunächst Vereinigungen von Schülern und ehemaligen Schülern einer Schule, die sich in Organisationsform, Gebräuchen und Abzeichen an den Studentenverbindungen im deutschen Sprachraum orientiert. „In ihrer Struktur gleichen sie weitgehend den Studentenverbindungen. Sie teilen mit ihnen das Brauchtum, die Traditionsfixierung, auch den Elitendünkel und das Lebensbundprinzip; sie verfügen ebenfalls über Altherrenverbände. Auch bei ihnen gibt es unterschiedliche Gattungen, etwa Pennale Corps, Pennale Landsmannschaften oder Pennale Burschenschaften. Aus Sicht von Studentenverbindungen sind Schülerverbindungen nicht nur sympathische Verbände, sondern vor allem auch erfolgreiche Vorfeldorganisationen (...) – nicht zuletzt aber auch, um Nachwuchs zu rekrutieren."2

Übersicht: Erkennungszeichen der p. B! Normannia Winternberg

Gegründet wurde die Verbindung im Jahr 1906 als "AAV Normannia Winterberg" (Abiturienten- und Absolventenverband) im damaligen Winterberg im Böhmerwald (heute: Vimperk, Tschechische Republik). Im Jahr 1962 reaktivierte sich die diese als pennale Burschenschaft in Passau mit dem neuen, selbst gewählten Motto "bieder – treu – beständig" unter der Dachorganisation des "Passauer-Senioren-Convents".3

Die Erkennungszeichen der „pflichtschlagenden“ also Mensuren fechtenden Burschenschaft sind die Farben Grün-Weiß-Gold, welche sich im Couleurband und der grünen Mütze wieder finden. Wie für entsprechende Korporationen üblich teilt sich die Binnenstruktur auch bei der Normannia Winterberg in die „Aktivitas“ also die junge, aktive Burschenschaftergeneration (eigentlich Schüler) und die „Alten Herren“. Vor dem Eintritt in die Vollmitgliedschaft gilt es sich eine Zeit lang als Mitgliedschaftsanwärter (sogannter Fuchs/Fux) unter Beweis zu stellen und Fuxenstunden (Unterricht), Fechtübungen und Mensuren zu bestreiten.

In ihrem Selbstverständnis geben die Normannen an:

Die heutige p.B!Normannia Winterberg zu Passau wurde am 10.4.1906 als Ferialverbindung in Winterberg im Böhmerwald gegründet. Zweck der Verbindung ist die aktive Unterstützung der Volkstumsarbeit, Zusammenschluss der studierenden Jugend, körperliche und geistige Ertüchtigung der Bundesbrüder und gesellschaftliche Betätigung. Als schlagender Bund ist für uns das Fechten selbstverständlich. Es ist für uns ein wichtiger Aspekt der Persönlichkeitsbildung und wird eifrig betrieben. Als Farben der Normannia wurden weiß-grün-gold auf grünem Grund gewählt, die Mütze grün mit goldenem Vorstoß. Wir richten uns nach der LPO (Linzer Paukordnung aus dem Jahre 2016). Wir sind eine pflichtschlagende Verbindung."4

Terminübersichte [Website] Neben dem Fechtkampf fordert die Mitgliedschaft folglich die aktive Unterstützung der Volkstumsarbeit und ein damit gelebtes Bekenntnis zum Völkischen und gesellschaftliche Betätigung. Diese drückt sich im Kontext der bisherigen Zusammenstellung ihrer Mitglieder offenbar hauptsächlich durch die Mitgliedschaft in der NPD und anderen rechtsextremen Parteien und politischen Organisationen und der

damit verbundenen Einflussnahme auf (parlamentar-) politischer Gesellschaftsebene aus. Das korporative Bekenntnis zum Völkischen spiegelt sich in der Entstehungsgeschichte und den Aktivitäten der Normannia Winterberg in Passau wieder.

Über die Details ihrer Aktivitäten hält sich p.B! Normannia Winterberg extrem bedeckt. In der Rubrik „Termine“ der Website finden sich im etwa achtwöchigem Rhythmus angekündigt Gräbergänge, Kneipen (zu Weihnachten als „Julkneipe“ und Ostern als „Ostarakneipe“) sowie das Normannia Stiftungsfest jedes Jahr im Oktober. Die heidnisch-germanisch anmutende Benennung der burschenschaftlichen Verbindungsfeiern zu Weihnachten („Jul“, altgermanisches Julfest) und Ostern („Ostara“, Name einer germanischen Frühlingsgöttin) kann weiterhin als Ausdruck des Völkischen verstanden werden. Die völkische Bewegung strebte auf rassenideologischer Grundlage nach einer antiegalitären, militaristischen, männerzentrierten, (berufs-)ständisch organisierten Gesellschaft, die in einer „germanisch-christlichen“ oder neuheidnischen „arteigenen“ Religion fundiert sein sollte. Dabei sehen unterschiedliche religiöse Entwürfe beispielsweise ein arisiertes und germanisiertes Christentum bis zur entschiedenen Ablehnung des Christentums und dem Versuch der Wiederbelebung vermeintlich vorchristlicher germanischer Glaubensvorstellungen mitunter mit Elemente der Esoterik vor.

Wo sich die p.B! Normannia trifft, gibt sie nicht bekannt. Laut einer Ausgabe des „Der Passauer Wolf“, dem offiziellen Mitteilungsblatt des Dachverbands „Passauer-Senioren-Convent“ (PSC) war der AAV Normannia Winterberg noch im Jahr 2000 mit einer Konstante (Burschenschaftshaus/-raum) in der "Peschl-Terasse" (Roßtränke 4) in der Passauer Altstadt gemeldet.5 Dorthin ludt die Burschenschaft auch zu Programmpunkten ihres 75. Stiftungsfest im Jahr 1981 ein. Ihre Reaktivierung feierten die Normannia-Neugründer aus der NPD im Gasthof Schäfer in Passau Neustift (inzwischen geschlossen). Im Jahr 2014 veranstaltete der entsprechende Personenkreis als Passauer NPD ein Event mit dem neonazistischen Liedermacher Frank Rennicke [korporiert in der Burschenschaft Arminia Zürich zu Karlsruhe] im Hotel/Restaurant Waldschloss in Passau-Mariahilf.6 Benannte Orte oder gar die in unmittelbarer Nähe zur „Peschl-Terrasse“ liegende Konstante der ihr angeschlossenen akademischen Burschenschaft Markomannia in der Passauer Altstadt wären als Veranstaltungsorte der Normannia-Feiern („Kneipen“) durchaus denkbar. [Anmerkung: Die Konstante der Markomannia in der Passauer Altstadt soll nach aktuellen Medienberichten aus dem Januar 2020 inzwischen gekündigt worden sein]

3. Geschichte, Werdegang und Aktivitäten in Passau sowie ideologische Einordnung

Die Ursprünge der p.B! Normannia liegen im damaligen Winterberg im Böhmerwald etwa 80km nördlich von Passau, welches heute als Vimperk in der Tschechischen Republik besteht. In der Broschüre zum 75. Stiftungsfest des AAV Normannia Winterberg in Passau am 20-22.03.1981 wird die Geschichte und die ideologische Selbstverortung der Verbindung im Kontext historischer Entwicklungen beschrieben.

Nach dieser Darstellung wurde das Sudetenland im Jahr 1918 Sudetenland "gegen den einmütigen Willen der betroffenen Menschen [gemeint sind „Deutsche“] von der neugegründeteten Tschecho-Slovakei einverleibt".7Nach zwei Jahrzehnten Kampf gegen Tschechisierungsmaßnahmen der Prager Regierung“ folgte 1938 laut Broschüre die Befreiung von der fremden und ungerechten Herrschaft“ und der Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich unter Hitler und dem NS-Regime. Zum Ende des zweiten Weltkriegs und der Kapitulation des Deutschen Reiches am 08. Mai 1945 wurde, so führt die Stiftungsrede weiter aus, die deutsche Bevölkerung entrechtet, aller Habe beraubt und nach Bayern verfrachtet“. Dort reaktivierten die heimattreuen Verbindungsbrüder ihre Korporation im Jahr 1962 in Passau. Wehmütig, so scheint es, folgt auf den Text in der Kommersbroschüre ein Abdruck des „Deutschlandlieds" mit der ersten Strophe, welche das Bekenntnis der Normannia zu Deutschland in seinen Grenzen von 1918 bzw. denen des „Großdeutschen Reichs“ (ab 1938) ausdrücken soll:

StiftungsfestbroschüreDeutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!

 

 

Auf der Website der Normannia findet sich in der Rubrik „Geschichte“ lediglich der Abdruck eines Zeitungsartikels aus dem Jahr 1919. Unter dem Titel „Als der Bürgerwille im Blutbad versank“ wird ausgeführt, wonach die Burschenschafter scheinbar auch einhundert Jahre später noch streben: Für die Zugehörigkeit zur Republik Deutsch-Österreich demonstrierten am 4. März 1919 die deutschsprachigen Altösterreicher in Böhmen und Mähren.".8

Konkreter formulieren die (heutigen) Normannen ihr Verständnis vom völkisch gedachten „Deutschtum“ im Motto ihrer "Rekonstruktionsfeier“ im Jahr 2007, wo sie neben dem "Eröffnungskantus Ehre Freiheit Vaterland" auch ein "Totengedenken" im Programm führten. Das Titelbild der öffentlichen Facebook-Seite der Normannia Winterberg zu Passau zeigt zu der Zeit [inzwischen ist diese gelöscht] das Sudetenland in den Grenzen von 1938, ebenso Links zur Identitären Bewegung und zum völkischen Witikobund.9Am 6. Mai 2013 postet der "Normannia Winterberg" Twitteraccount (@normanniawint) anlässlich des Jahrestages der Kapitulation des Deutschen Reiches und der Befreiung Deutschlands vom NS-Regime: "8. Mai 1945 - Normannia Winterberg trägt Trauer".

8. Mai - Normannia trägt Trauer [Tweet]

Die Korporation, die Deutschland in seinen heutigen Grenzen nicht anerkennt und sich in ein Großdeutsches Reich zurück sehnt, begründet dies mit einem völkischen Vaterlands- und Volksbegriff. Zum Deutschen „Volk“ gehören aus dieser Sicht die Menschen von der Maas bis an die Memel, die sich vom sogenannten Blut her als Deutsche, deutschtümelnd verstehen. In der Geschichtswissenschaft wird „völkisch“ als Sammelbezeichnung für die sich seit den 1890er Jahren politisch und kulturell formierende nationalistisch-antisemitische Rechte in Deutschland verstanden, deren Ziel die Herstellung einer ethnisch geschlossenen Bevölkerung („deutsches Volk“) in einem ethnisch definierten Nationalstaat ist.

Auf dem Blog freegermany.de, dem "Patriotischen Forum Sueddeutschland" wird 2008 ein Beitrag zur "Mehr-Säulen-Strategie" publiziert, in dem es darum geht wie die nationalsozialistische Rechte in Deutschland mittels einer Viersäulenstrategie eine Bewegung formen kann, die die Vernichtung des deutsches Volkes (durch ethnische Durchmischung) verhindern kann. Dieser Bedrohung müsse man "eine geschlossene, aber auch kampffähige PHALANX entgegenstellen", die aus „der rhetorischen Säule, der medialen Säule, der juristischen und der physischen Säule" bestehen solle.

Unter diesen Beitrag kommentiert ein Passauer Normanne unter dem Synomym "Arminius", dass es "Wichtig für das Gelingen [sei], das die breite Masse der konservativen Kräfte ihre Berührungsängste mit den nationalen und sozialen Kräften verliert. Die Konservativen müssen endlich einsehen, das sie nur mit den nationalen/sozialen Kräften ihre Ziele, nämlich die Erhaltung des freiheitlichen, demokratischen und christlichen Deutschland durchsetzten können.". Er selber leiste als "kleinen Beitrag zum Gelingen des Unternehmens" die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft und bei der NPD! Er wirbt weiterhin dafür sich geeigneten Burschenschaften anzuschließen und beruhigt "Es gibt keine Höchstgrenze beim Alter. Man wird halt dann gleich als “Alter Herr” aufgenommen.;-)". Weiterhin rät er konkret: "Also, ich gehe zur Normania-Winterberg in Passau (www.Normannia-Winterberg.de). Danubia in München ist auch in Ordnung. Es gibt leider Burschenschaften, welche sehr zeitgeistkonform sind. Aufnahme von Dunkelpigmentierten etc.. Manchmal ist in der JF, DS oder Nation&Europa die Anzeige einer Burschenschaft geschaltet. Diese Burschenschaft dürfte auf jeden Fall in Ordnung sein." [Arminius, 13.12.2008]10

Normannen Foreneintrag

Im Jahr 2010 warb die Burschenschaft Normannia Winterberg selber in einer gemeinsamen Anzeige mit der Schülerverbindung Burschenschaft Saxonia Czernowitz (München) in der neonazistischen Zeitschrift „Zuerst!“ um gymnasialen Nachwuchs („Bist du Deutscher? Bist Du auf einem Gymnasium im Raum München oder Passau? Willst Du Kneipen und Budenfeten erleben? Bist Du bereit, eine Mensur zu schlagen? (…) Dann komm zu unserer Schüler-Burschenschaft in München oder Passau!“ heißt es in der, mit „DEUTSCH. WAHR. TREU.“, untertitelten Anzeige.11

Die „Pennale Burschenschaft Saxonia-Czernowitz zu München“, die sich regelmäßig im Haus der Münchner Burschenschaft Danubia trifft, fungiert als angeschlossene Schülerschaft zur studentischen Danubia. Die vom Normannen „Arminius“ bereits gepriesene Münchner akademische Burschenschaft Danubia wird seit Jahren als rechtsextremistisch eingestuft und ihre Aktivitas bis heute wegen ihrer personellen Überschneidungen zur „Identitären Bewegung“ vom Verfassungsschutz beobachtet.

Normannia Anzeige in "Zuerst"

Prominentes Mitglied der Münchner pennalen Burschenschaft Saxonia-Czernowitz ist der Neonazi und AfD-Führungskader aus Brandenburg, Andreas Kalbitz. Weiterhin soll Ludwig Zeddies, Mitglied der „Identitären Bewegung Bayern“ bereits in Uniform der Münchner Schülerschaft aufgetreten sein. Sein Bruder Paul, das prägende Gesicht der IB Bayern, war bis zuletzt in der Münchner Studentenverbindung Danubia korporiert.

Die vorgeschaltete Schülerschaft zu einer akademischen (studentischen) Burschenschaft dient letzteren als hervorragendes Rekrutierungsbecken oder auch als Übergangslösung für solche Anwärter, welche der akademischen Verbindung beitreten möchten aber (noch) keine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. So scheint die (vermutete) Fusion der Passauer Schülerschaft Normannia und der (ehem.) Passauer Burschenschaft Markomannia nicht zuletzt aufgrund der Personalmängel auf beiden Seiten und der zunehmend offensichtlichen politisch-ideologischen Annäherung durchaus sinnvoll.

Für die Analyse der politischen Ausrichtung der Normannia Winterberg eignet sich der Blick auf die alte Website der Burschenschaft. Deren „neueste“ Beiträge stammen aus dem März 2012. Auf der inhaltlich nicht klar ausgerichteten Website finden sich hauptsächlich Presseberichtsammlungen und verlinkte Berichte aus rechten Medien oder von verschwörungstheoretischen Plattformen. Vereinzelt publizierte die Normannia jedoch auch selbst verfasste Blogeinträge und Aktivitätsberichte. Thematisch befassen sich die verlinkten Medienberichte vor allem mit reißerischen Theorien dazu, wie Verfassungsschutz (oder parlamentarische Antifaschismus), BRD-Regierung, die EU und „die Kommunisten“ im Kampf gegen Rechts an der Zersetzung Deutschlands mitwirken („Wormser Mädchen von 3 Männern mit türkischen Migrationshintergrund vergewaltigt“, „Im Bann der Dolchstoßlegende – Artikel „Junge Freiheit“, „7,86 Billionen Euro deutsche Staatsschulden das ist FAKT?? – YouTube“, „Bundesverfassungsgericht ist mittlerweile überflüssig wie ein Kropf!“, usw.). Einen weiteren Schwerpunkt machen Berichte und Gedenken zu Ehren im (damaligen) Afghanistaneinsatz gefallener Deutscher Soldaten aus.

Normannia Winterberg Facebookseite Titelbild

Interessanter gestalten sich die Berichte über die Aktivitäten der Burschenschaft selbst:

Im August 2011 publiziert die Passauer Normannia einen Beitrag wonach eine durch die Burschenschaft eingereichte Petition im Bundestag mit der Forderung zur Reform des §130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung) abgelehnt worden ist.12 Darin hatte die Schülerschaft beantragt, dass der Deutsche Bundestag beschliessen möge „deutschfeindliche Äußerungen unter Strafe zu stellen“.

Andere Artikel berichten von der Organisation von „Heldengedenken“ mittels Kranzniedegungen am Soldatendenkmal auf dem Passauer Innstadtfriedhof oder an Gräbern verstorbener Verbindungsbrüder sowie von der Teilnahme an „Burschentagen“ anderer Verbindungen. Auch die Teilnahme der Normannia Winterberg „in Couleur“ (Verbindungskleidung) am neonazistischen „Gedenkmarsch in

Dresden“ im Jahr 2010 wird in einem Erfahrungsbericht ausführlich thematisiert. Der Neonazi-Aufmarsch zum Gedenktag des Bombenangriffs auf Dresden mit 6000 Teilnehmenden, über den bundesweit berichtet worden war, konnte damals durch breite zivilgesellschaftliche Proteste blockiert werden. Sehr zum Ärger der Normannen die entschlossen hatten auch an der Veranstaltung in Dresden zum Gedenken an die alliierten Kriegsverbrechen teilzunehmen.“.13

Die (vermeintlichen) „Alliierten Kriegsverbrechen“ und das Gedenken an deren Opfer scheinen für die Normannia generell eine übergeordnetes Thema darzustellen. Immer wieder publiziert die Burschenschaft Statements zum Thema „8. Mai 1945“ (Tag der Kapitulation des NS-Regimes und Befreiung vom Faschismus durch die Allierten Siegermächte).

In geschichtsrevisionistischer Manier heißt es beispielsweise im Artikel „Der 8.Mai 1945 im Raum Passau“ (2010): Seitens der US Airforce wurden im Gebiet Hauzenberg und Passau Tieffliegerangriffe auf Zivilisten durchgeführt. [...] Mehrfach wurden Frauen vergewaltigt. Plünderungen von US-Soldaten waren in dieser Zeit an der Tagesordnung. Die Bevölkerung war wehrlos und dies wurde ausgenutzt. Es war zu keiner Zeit eine Befreiung sondern eine Besetzung. […] Diese Anbiederung an die Feinde unserer Eltern und Grosseltern ist grotesk und widerspricht allen normalen menschlichen Empfindungen. Der 8.Mai 1945 ist für uns ein Tag der Trauer.“.14

Im Jahr darauf konkretisiert die Normannia Winterberg in ihrem Gedenkartikel „Der 8. Mai 1945“ (2011) ihre Version des zweiten Weltkriegs:

Der 8. Mai 45 ist nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr muss der 22. Juni 1941 – der Präventivschlag Deutschlands gegen die Sowjetunion, als Beginn eines Kampfes gegen die Sowjetisierung Europas gesehen werden. [...] Der Angriff der Wehrmacht warf diese sowjetischen Armeen zurück. [...] Ein Gulagsystem mit Millionen von Toten wäre die Konsequenz aus der Eroberung Westeuropas durch die Rote Armee gewesen. Der 6. Juni 1944 (Landung in der Normandie) war keineswegs der Befreiung Europas angedacht. […] Deutschland verblutete im Kampf gegen den Stalinismus und erhielt am 8.Mai 1945 den Todesstoss. [sic!] Der Dank war die Zerstückelung des Reiches und Ermordung von Millionen deutschen Zivilisten. Die p.B!Normannia Winterberg gedenkt in dankbarem Stolz seiner Wehrmacht und seiner Bundesbrüder die im Kampf gegen die Tyrannei ihr Leben ließen.“ 15

Der Neonazijargon und die geschichtsrevisionistische, pro-nationalsozialistische Perspektive auf die Verbrechen NS-Deutschlands ist bei der Normannia Winterberg sicher kein Zufall sondern Spiegel der politischen Ausrichtung ihrer Mitglieder.

4. Prägende Mitglieder der p.B! Normannia Winterberg und deren politische Verortung

Resch und Mühlberger

Die Zusammensetzung der etwa 10 Mitglieder umfassenden Burschenschaft Normannia Winterberg liest sich wie das who-is-who lokal angesiedelter Neonazis.

Auf Bildern der Normannia Winterberg Website zeigen sich die (Wieder-)begründer der Passauer Schülerschaft Resch und Mühlberger nicht nur im „Couleur“ der Normannia, sondern tragen auch Bänder der „Saxonia Czernowitz“. Dies deutet darauf hin, dass beide auch in der Münchner pennalen Burschenschaft korporiert sind.

Die Reaktivierung der schlagenden Schülerverbindung im Jahr 2007 erfolgte unter Federführung des Passauer NPD-Kreisvorsitzenden Stephan Mühlberger (Senior) und des lokalen NPD-Führers Günther Resch.16Der NPD-Mann Günther Resch wird bereits in der Festschrift zum 75jährigen Jubiläum der Normannia im Jahre 1981 als für die Publikation verantwortlich aufgeführt. 2007 fungiert das Normannia-Urgestein Resch ("Biername": Bismarck) als Einladender in Namen des "Generalconvents". Auch in rechtsextremen Parteien und der neonazistischen Szene war NPDler Resch schon damals seit Jahren zu Hause. Bei der Gründung des bayerischen DVU-Landesverbandes wurde Immobilienmakler Resch im Februar 1988 stellvertretender Landesvorsitzender. Mit seinem Berufskollegen und Normannia-Verbindungsbruder Stephan Mühlberger (Senior) betrieb Resch seit 2005 das "Nationale Forum Passau", das in der Region vor allem mit "Reichsgründungsfeiern" im Januar auf sich aufmerksam macht. In jenem Jahr lud Resch zu dieser Feier gar den Alt-Neonazi Friedhelm Busse ein. Der ehemalige FAP-Vorsitzende, der sich nach der Entlassung aus seiner Haft wegen Volksverhetzung in Passau niedergelassen hatte, zählte zu den führenden Köpfen der militanten Neonaziszene in Deutschland. Im Jahre 1944 hatte sich der damals 15-jährige Friedhelm Busse nach zwei Jahren Adolf-Hitler-Schule freiwillig zur Waffen-SS gemeldet und kämpfte bis April 1945 in der SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“ gegen die vorrückenden Alliierten.

Das von Resch und Mühlberger gegründete "Nationale Forum Passau" hatte sich vollmundig vorgenommen, "alle nationalen Kräfte (freie Kameradschaften aus Deutschland und Österreich, NPD, DVU, REP, DP usw.)" zu bündeln und für die Bundestagswahlen 2008 "eine nationale Front" zu schaffen. Später trat das „Nationale Forum“ unter dem Label der NPD auf. Für diese kandidierte Resch zur Bezirkstagswahl, (28.09.2008) im Wahlkreis Passau-Ost. Als Passauer Vorsitzender firmierte Stephan Mühlberger im Impressum der NPD-Internetseiten. Auch die Internetseiten der "Normannia Winterberg" laufen unter Mühlbergers Namen, der außerdem als Kontaktmann der Burschenschaft auftritt.

 

Resch, Dick, Mühlberger auf dem Innstadtfriedhof, Passau

Mit Stephan Mühlberger und Günther Resch und bis heute immer wieder für die Normannia aktiv abgelichtet zeigt sich Thomas Dick, Strafrechtsanwalt aus Franken.

Günther Resch selbst verstarb am 10. August 2018 in Passau im Alter von 72 Jahren. Die Normannia verabschiedete ihr Führungsmitglied mit einer Traueranzeige in der PNP.17 Doch Stephan Mühlberger bleibt nich als einziger lokaler NPDler in der Schülerschaft zurück. 

In Person des Apothekers Harald Schröter aus Hauzenberg bleibt der Normannia ein weiteres Mitglied der NPD als Verbindungsbruder erhalten. Erst am 15.10.2019 kommentierte der Burschenschafter im Gästebuch der Normannia: „Wir hatten eine sehr gesellige Stiftungskneipe! Freuen uns schon auf kommende Julkneipe. Heil Normannia!“

Kein NPDler aber NPDnah und selber in diversen rechtsextremen Parteien auf Funktionärsebene aktiv war und ist der Normanne und Passauer Stadtrat Oskar Atzinger.

Das heutige Vorstandsmitglied der Passauer AfD, Oskar Atzinger, stand bereits in den 1990er Jahren wegen seiner guten Vernetzung in der extremen Rechten im Fokus der Behörden. Damals war Atzinger Mitglied der rechtsextremen Partei „Die Republikaner“, die ihn 2008 wegen seiner Nähe zur NPD aus der Partei ausgeschlossen haben soll.18 Atzinger gründete daraufhin (2013) gemeinsam mit dem heutigen AfD-Bezirksrat aus Passau, Robert Schregle, die Bürgerliste „Alternative für Passau“, die wenig später wegen namensrechtlichen Streitigkeiten mit der „Alternative für Deutschland,“ in ProPassau umbenannt wurde.19Um 2011 vertrat Oskar Atzinger die ultrarechte BürgerbewegungProBayern“ im Passauer Kreistag, dem er seit 2008 angehörte. Er fungierte zudem als Schatzmeister des von NPD- und DVU-Kadern geprägten Vereins „PRO Bayern“. Die Pro-Bewegung engagierte sich damals als neuere Erscheinungsform der extremen Rechten gegen Migrant*innen und Geflüchtete. Der bayerische Ableger soll nach Vorbild der ersten, 1996 in Köln gegründeten fremdenfeindlichen „Pro“-Bewegung entstanden sein. Dort formierte sich das rassistische Bündnis um Markus Wiener, der aus dem bayerischen Wörth an der Donau stammt und in Regensburg in der extrem rechten Prager Burschenschaft Teutonia korporiert gewesen sein soll. (Nicht zu verwechseln ist Markus Wiener mit seinem Bruder Willi, ehemaliger Chef der NPD in Regensburg und der Oberpfalz).20Über die ProPassau-Liste zog Atzinger im Jahr 2014 immerhin als fraktionsloser Abgeordneter in den Passauer Stadtrat ein – seit 2018 nimmt er dieses Mandat für die AfD wahr. Oskar Atzinger soll sich, ebenso wie weitere ehemalige Funktionäre der „Die Republikaner“ (z. B. Kurt Haimerl)21zur Kommunalwahl 2020 für die AfD Passau aufstellen haben lassen.22

In seinem Abgeordnetenprofil des Almanach des Rathauses Passau 2014-2020 (Blickpunkt Rathaus) gibt Atzinger an, in der "NPD-Nachwuchs-Kaderschmiede“ pennale Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau (p. B! Normannia Winterberg: Ehre-Freiheit-Vaterland) korporiert und als deren Sprecher tätig zu sein.23

Kurt Haimerl
Haimerl in Coleur der Normannia

Als weiterer Normanne mit Republikaner-Vergangenheit und AfD-Gegenwart zeigt sich auf der Normannia Website der Passauer Kurt Haimerl. Dieser saß von 1990 bis 1996 für die Republikaner im Stadtrat von Passau. Um 2013 war er (gemeinsam mit Robert Schregle und Oskar Atzinger) an der Gründung der Alternative für Passau“ beteiligt, die weniger später in „Pro Passau“ umbenannt wurde. Für diese trat er bei der Passauer Stadtratswahl 2014 auf Platz 2 an. Zur Kommunalwahl 2020 tritt Haimerl erneut auf Platz 2 für den Stadtrat an, diesmal offiziell als Kandidat der AfD. 2425

Einer der prominenteren Vertreter der Normannia Winterberg zu Passau dürfte Ulrich Pätzold sein. Der auch in Normannia-Coleur auftretende Politiker saß um das Jahr 2005 der rechtsextremen Kleinpartei „Deutsche Partei“ vor. Die im Jahr 1993 gegründete Partei fusionierte im Oktober 2003 mit dem DVU-Ableger, der Freiheitlichen Deutschen Volkspartei (FDVP) und nannte sich fortan „Deutsche Partei – die Freiheitlichen“. Pätzold selbst kandidierte schließlich zur Bundestagswahl 2009 für die NPD im Erzgebirgskreis. In Passau trat er 2008 mit zahlreichen prominenten NPDlern und Neonazis zur Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse auf, im Kontext dessen Beerdigung es zu rechten Ausschreitungen und Hakenkreuz-Skandalen kam. Im Jahr 2010 wird der in Schöllnach (Niederbayern) lebende Pätzold als Mitglied des NPD-Bundesvorstands geführt – neben dem Vorsitzenden Udo Voigt und dessen Stellvertreter Karl Richter sowie weiteren prominenten rechtsextremen Vorstandskollegen wie Thorsten Heise, Thomas Wulff usw. Zuletzt rief Ulrich Pätzold, u.a. in einem YouTube-Video („Ulrich Pätzold: Deshalb wähle ich Udo Voigt“, 14.05.2019) dazu auf, zur Europawahl am 26. Mai 2019 den NPD-Kandidaten Udo Voigt und dessen Partei zu unterstützen.262728

Unterstützung aus dem Spektrum rechtsextremer Parteien und akademischen Burschenschaften bekommt die Normannia Winterberg offenbar auch aus Österreich. Der FPÖ-Politiker Christian Rössner (Biername Wieland) vertritt die rechte „freiheitliche Partei“ in der Passauer Pennalie. Rössner soll parlamentarischer Mitarbeiter für den Nationalrat-Abgeordneten Peter Schmiedlechner (FPÖ) sein und als Bezirksstellenleiter dem FPÖ-nahen Österreichischen Mieterschutzring (ÖMR) in der Wiener Donaustadt vorstehen. Recherchen des DÖW [Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand] zeigen außerdem auf, dass Rössner in der Wiener akademische Burschenschaft Bruna Sudetia korporiert ist.29 Wie auch die Passauer Burschenschaft Markomannia Wien gehört die Bruna Sudetia der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG), der rechtsextremen Lobby innerhalb des deutschen und österreichischen Burschenschaftswesens, an. Im Februar 2018 sorgte die Bruna Sudetia für Schlagzeilen im Kontext des „Liederbuch-Skandals“. Die Wochenzeitung Falter berichtete von einem Liederbuch der Burschenschaft, welches antisemitische, sowie in der NS-Zeit genutzte Propagandalieder beinhalte. Die Staatsanwaltschaft Wien leitete von Amts wegen ein Verfahren wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung und Verhetzung ein.

Im Gästebuch (seiner) Schülerschaft Normannia Winterberg kommentierte Rössner zuletzt am 13.10.2016: Liebe BbrBbr! [Anm.: Abkürzung für „Bundesbrüder“] Ich freue mich immer wieder in Eurem/unserem Kreise feiern zu dürfen. Politisch waren und sind wir immer schon eine Vorzeigeverbindung. Weiter so. Vivat crescat floreat in aeternam, liebe Normannia. Euer Wieland“.

Im April 2019 nahm Rössner an einer wöchentlichen Kundgebung deutschnationaler Verbindungen auf der Rampe des Hauptgebäudes der Universität Wien teil. Veranstaltet werden diese Aufmäsche, an denen regelmäig auch (korporierte) Neonazis anzutreffen sind, von den Korporationen des Wiener Korporationsrings (WKR). Die Kundgebungen sollen dabei klar im Zeichen des völkischen Antisemitismus stehen, welcher in den Korporationen des WKR lange Tradition hat. Bei dieser Kundgebung am 03.04.2019 sah man Rössner gemeinsam mit dem Kader der neofaschistischen »Identitären Bewegung« (IB), Alex Schleyer (Wiener Burschenschaft Corps Hansea).30

Rössner und Schleyer beim Mittwochsbummel an der Uni Wien

Der ehemaliger Marinesoldat aus Bonn lebt inzwischen in Wien und war zwischen April 2016 und März 2017 sogar im österreichischen Parlament als Mitarbeiter des FPÖ-Abgeordneten Christian Höbart beschäftigt, bis er diese Stelle wegen Hasspostings auf Facebook verlor. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Schleyer als Kapitän der Identitären-Bootes »C-Star« bekannt. Die Schiffcrew um den IB-Führer Martin Sellner plante im Sommer 2017 im Kontext der Mission „Defend Europe“ gegen Seenotrettung Geflüchteter aktiv zu werden und schiffbrüchige Geflüchtete vor der Küste Lybriens einzufangen und nach Afrika zurück zu bringen.31 Seine Erfahrungen als Kapitän der Mission der „Identitären Bewegung“ sammelte Schleyer, der auch als Autor in der rechtsextremen „Blauen Narzisse“ publiziert, in seinem Buch "Defend Europe: Eine Aktion an der Grenze" [von Alexander Schleyer (Autor) & Martin Sellner (Nachwort); Antaios Verlag].

Zwei Jahre später, im Mai 2019 soll Schleyer im Rahmen eines Vortragsabends bei der Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf/Passau über die identitäre Mission „Defend Europe“ und seine Aktivitäten darin referiert haben.

Doch nicht nur den korporierten Aktivisten der "Identitären Bewegung", auch Rössners  Wiener akademischen Burschenschaft Bruna Sudetia steht die Passauer Burschenschaft Markomannia Wien nahe. In der Passauer/Deggendorfer Burschenschaft vereinen sich Mitglieder und (ehem.) Funktionäre der NPD, der AfD und der IB. Daher ist kaum verwunderlich, dass die akademische Studentenverbindung nicht nur die Nähe einer ähnlich aufgestellten lokalen Schülerschaft als Rekrutierungsbecken, sondern explizit die der völkisch-nationalistischen p. B! Normannia Winterberg sucht.

Im November 2019 schließlich wurde offiziell was bereits seit einiger Zeit absehbar schien. Teile der pennalen Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau stellen sich inzwischen aus Reihen der Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf. Bei einem Gräbergang auf dem Passauer Innstadtfriedhof sah man u. a. den bisher nur als Markomannen aufgetretenen Tobias Lipski in Uniformierung der Normannia, gemeinsam mit anderen Normannen wie dem NPDler Stefan Mühlberger und Thomas Dick Kränze an den Gräbern verstorbener Verbindungsbrüder ablegen.32 Darunter am Grab des, am 10.08.2018 verstorbenen, Passauer NPD Führers Günther Resch.33Auch zu weiteren Gelegenheiten traten Normannen, darunter Burschenschafter der B! Markomannia Ẃien im „Couleur“ der Schülerschaft in Passau offen auf und belegten die Personalunion der beiden Korporationen.

Mitglieder der p. B! Normannia Winterberg

Mit Alexander Salomon (*1993), eigentlich Galionsfigur der akademischen Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf/Passau, fand erneut ein ehemaliger NPDler und heutiger Funktionär der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ in die Reihen der Normannia Winterberg. Der aus Brandenburg (Spreewald) stammende Jura-Student mische schon früh in verschiedenen rechten Zusammenhängen mit. Salomon war ca. zwei Jahre lang Mitglied in der NPD (Brandenburg), bevor er im Jahr 2013 die AfD Brandenburg mitbegründete und in den Vorstand der AfD Brandenburg gewählt wurde. Nach der medialen Bekanntmachung Salomons NPD-Vergangenheit stieß ebendies eine öffentliche und parteiinterne Debatte zum Ausschluss von ehemaligen NPD-Mitgliedern an. Salomon „musste“ schließlich im Frühjahr 2016 die Parteimitgliedschaft aufgeben – dies gilt jedoch nicht für die Mitgliedschaft bei der „Jungen Alternative“. Dort war er seit 2015 (bis 2018) Beisitzer im Vorstand der Jungen Alternative Brandenburg, bevor er für den Bayerischen JA Landesverband aktiv wurde.

Zudem arbeitete er im Jahr 2015 und 2016 auf Minijob-Basis für die Brandenburger AfD-Abgeordnete Birgit Bessin (parlamentarische Geschäftsführerin der AfD-Fraktion Brandenburg) und den Neonazi Andreas Kalbitz, damals Vize-Fraktionschef und erster Stellvertreter in der Brandenburger Landes-AfD.34Im Kontext der Brandenburger Landtagswahlen 2019 wurden Kalbitz‘ jahrzehntelangen Verstrickungen bis tief in neonazistische und völkisch-nationalistische Milieu publik. So soll der in der Münchner p.B! Saxonia-Czenowitz korporierte Kalbitz z. B. Im Jahr 1994 an einem Treffen Diksmuide (Belgien) teilgenommen haben, welches laut Drucksachen des Bundestages vorwiegend der Vernetzung europäischer, rechter Ideologen sowie Redakteuren der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit” bis hin zum militanten Neonazi-Spektrum diente [Darunter: Freiheitliche Arbeiterpartei (FAP), Nationale Front (NF), Junge National-Demokraten (JN), Wiking-Jugend (WJ), Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG) und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), sowie Boneheads]. Auch bei dem Treffen in Diksmuide, als dessen "Eintrittkarte" ein Hitlergruß obligatorisch gewesen sein soll, war bereits erwähnter Friedhelm Busse, damals noch Vorsitzender der rechtsextremen FAP. Der ehemalische SS-Mann und passionierte Nationalsozialist lebte bis zum seinem Tod (2008) in Passau. Sein Grab in Stadtteil Patriching wirkt bis heute als Pilgerstätte militanter Neonazis.35

Während es den aus München stammenden Kalbitz nach rund zehn Jahren militärischer Laufbahn 2005 zum Studium nach Brandenburg zog, immatrikulierte sich dessen Angestellter, Vertrauter und AfD-Kollege Alexander Salomon im Mai 2014 für ein Jurastdium an der niederbayerischen Universität Passau. Seit seiner Aufnahme als Vollmitglied (2016) wirkt er als Posterboy und Chefrekrut seiner Burschenschaft sowie als Gesicht zahlreicher Skandale um diese.

Die Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf fungiert in Passau als Sammelbecken verschiedener rechtsextremer Strömungen. Sie ist in den burschenschaftlichen Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ und darin noch einmal in dessen völkisch-nationalistischen Flügel der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ eingebunden. Dort bildet sie weiter den Bestandteil eines weitreichenden Netzwerks der sogenannten „Neuen Rechten“ innerhalb dessen seine Mitglieder enge Kontakte zu teils hochrangigen Rechtsextremen pflegen.36

Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde die niederbayerische Burschenschaft Markomannia als Aufbauhilfe lokaler IB Strukturen (2016) und durch ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz (2019) sowie die Causa #Gedenksteingate im November des selben Jahres. Letztere symbolisiert weiterhin die enge Verknüpfung der, wie die Normannia im heutigen Tschechien (Mähren) gegründete, Markomannia über das gemeinsame (als solches empfundene) Schicksal als Deutsche Vertriebene.

Übersicht Erkennungszeichen der akad. B! Markomannia Wien

Zum Volkstrauertag 2019 wurde ein aus dem Umfeld der Markomannia organisierter bzw. finanzierter Gedenkstein im polnischen Bytom (Beuthen) errichtet. Neben weiteren Spendern wie der NPD-Jugendorganisation JN, der Berliner AfD-Jugend JA und dem MdB Stephan Protschka (AfD) aus Niederbayern war die Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf als Spender in den Stein graviert. Unter dem Eisernen Kreuz prankt darauf die Inschrift "zum Gedenken an die gefallenen deutschen Soldaten im 1. und 2. Weltkrieg, an die Selbstschutz- und Freikorpskämpfern (...)”. In Oberschlesien unterstand der "Selbstschutz" dem SS-Oberführer Fritz Katzmann, einem der schlimmsten NS-Massenmörder während des Zweiten Weltkrieges. Im Namen des deutschen Selbstschutzes sollen Rechtsextreme in Oberschlesien bereits ab 1921 brutal gegen polnische Bürger vorgegangen sein, so Historiker.37 Der Stein sorgte in Deutschland und Polen für einen Skandal und wurde kurz nach dem Bekanntwerden seiner Errichtung entfernt und staatsanwaltliche Ermittlungen seitens polnischer Behörden eingeleitet. Laut dem Tagesspiegel soll die Unterstützung aus Reihen der Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf nach Angaben mehrerer Beteiligter von dem Burschenschafter und JA-Mitglied Alexander Salomon eingefädelt worden sein. Dieser bestätigt auf Tagesspiegel-Nachfrage, im Umfeld der Burschenschaft für das Denkmal geworben zu haben: "Ich fand das unterstützenswert.".38

Dick und Lipski [beide im Couleur der Normannia Winterberg]Auch die Personalie Tobias Lipski dürfte wesentlich zur offiziellen Einordnung und öffentliche Wahrnehmung der akademischen B! Markomannia Wien als rechtsextreme Organisation beigetragen haben. Der aus der Hamburger Region stammende Student der Rechtswissenschaften, Burschenschafter der Markomannia Wien zu Deggendorf und heutige Vorstand der "Jungen Alternative" Ostbayern (AfD-Jugendorganisation) steht im Verdacht im Jahr 2017 einen Anschlag auf die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vorbereitet zu haben. Lipski (*1993) verfolgte nach seinem Abitur zunächst eine Laufbahn als Offizier an der Universität der Bundeswehr in München, wurde jedoch im Mai 2017 aus den Streitkräften entlassen. Im Vorfeld seiner Entlassung war er im März desselben Jahres durch den MAD (Militärischer Abschirm-Dienst) befragt worden. Dieser hielt fest, dass Lipski unter anderem Stammtische der „Identitären Bewegung“ in München-Trudering besuchte und sogar selbst Vorträge zum Umgang mit Verfassungsschutz und Polizei für die „Identitäre Bewegung“ gehalten haben soll, zum Beispiel im Haus der „Burschenschaft Danubia“ (München) vor IB-Funkionären. Informationen des Spiegels zufolge, waren Lipski und ein zeitgleich mit ihm entlassener Mitstudent des weiteren bereits Ende 2016 und Anfang des Jahres 2017 durch juden- und ausländerfeindliche Sprüche oder Nazi-Parolen wie "Heil Hitler" allgemein aufgefallen. Die Behörden sollen aber schon zu diesem Zeitpunkt befürchtet haben, dass Tobias Lipski darüber hinaus zu einem Netzwerk von Rechtsextremisten im Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsministeriums gehören könnte und "Größeres plante". So wurde auch vermutet, er habe schwere Waffen gehortet. Am 09. Juni 2017, wenige Tage vor dem Besuch der Verteidigungsministerin an der Bundeswehr-Universität in München-Neubiberg (24. Juni 2017), in dessen Rahmen ein militärischer Appell am Münchner Schloss Nymphenburg stattfinden sollte, leitete die Staatsanwaltschaft deshalb ein entsprechendes Verfahren wegen des "Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz" gegen Lipski ein.

Nach seiner Entlassung aus der Bundeswehr begann Tobias Lipski zum Wintersemester 2017/2018 (Oktober) ein Jurastudiums an der Universität Passau und wurde von der rechtsextremen „Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf“ in Passau aufgenommen. Bereits während seiner Zeit in München trat Lipski als „Fuchs“ (Mitgliedschaftsanwärter) der „Münchner Burschenschaft Cimbria“ bei, dort wurde er allerdings wegen seiner „Verhaltensweisen gegenüber Damen“ rausgeworfen und erhielt Hausverbot. Auch bei der Münchner „Burschenschaft Alemannia“ hatte er Hausverbot, hier wegen des Zeigens von Hitlergrüßen.

Ungeachtet dessen wurde Lipski im März 2019 als stellvertretender Vorsitzender in den Vorstand der Jungen Alternative Ostbayern gewählt und mit seiner Wiederwahl in dieser Position bestätigt im Juni 2019 bestätigt.39 Seit Ende 2019 tritt Lipski auch als Mitglied der p.B! Normannia Winterberg offen auf.

Es scheint durchaus im Bereich des Möglichen, dass die burschenschaftlichen Verbindungen im Geflecht aus Normannia Winterberg bzw. dem JA-Ostbayern-Vorstand Tobias Lipski und dessen JA-Kollegen und Verbindungsbruder Alexander Salomon dem Saxonia- Czernowitz Mitglied Andreas Kalbitz, ebenso brandenburger AfD-Kollege und ehem. Arbeitgeber von Salomon mitursächlich sind für die enge Bindung des Brandenburger Neonazis zur ostbayerischen AfD-Jugendorganisation. Die Wahlkampfhilfe der ostbayerischen Jungen Alternativen in Brandenburg im Sommer 2019, die Ladung Kalbitz‘ als Referent zum JA Ostbayernfest im November 2019 und zum „Neujahrsempfang“ der AfD mit Andreas Kalbitz und Björn Höcke im Januar 2020 nach Bad Kötzing (Landkreis Regen)40offenbaren jedenfalls eine personelle Nähe und Unterstützung, auf welche andere Flügel-Anhänger wie der rechtsextreme Passauer AfD-Landtagsabgeordnete Ralf Stadler und sein Kreisverbandsvorstand beispielsweise scheinbar nicht so flexibel zurückgreifen können.