Ein freundlicher Gruß nach Rechts - Podiumsdiskussion bei den Passauer Politiktagen

Veröffentlicht am Mi., 06/14/2017 - 11:20
Rauswurf durch Polizei
  • Protest gegen rassistische Ideologien wird als undemokratisch dargestellt und es wird unterstellt, er würde ebenjenen Ideologien Zulauf verschaffen
  • Das abwertende und beleidigende Ausbuhen von Menschen, die kritische Fragen aus dem Publikum stellen (und somit den gewünschten Diskurs bieten) wird seitens der PPT kommentarlos hingenommen
  • Rechtsextreme Besucher*innen werden toleriert, die kritischen Teile der eigene Studierendenschaft des Saales verwiesen
  • Besetzung des Podiums u.a. mit AfD-Sprecher Möller wirkt inhaltlich unangebracht und als reine Effekthascherei der PPT

Am Abend des 12.6.2017 wurden bei einer Podiumsdiskussion an der Universität Passau Student*innen und weitere Demonstrant*innen durch Polizeikräfte unter Androhung unmittelbarem Zwangs und Strafverfolgung aus dem Audimax geräumt. Sie hatten die Redebeiträge des bekannten rechtsextremen AfD-Mitglieds Stefan Möller friedlich, durch lauten Applaus und Jubelrufe nachhaltig übertönt. Dieser war Gast bei einer Podiumsdiskussion der "Passauer Politiktage" zum Thema "Die 4. Gewalt – Die Macht der Medien", was bereits im Vorfeld durch die Hochschulgruppe LUKS in einem offenen Brief kritisiert wurde.

Möller, der als einziger Politiker zu dieser Diskussion eingeladen worden war, fiel bereits in der Vergangenheit mehrfach öffentlich durch seine mehr als kontroversen, schlicht rechtsextremen Positionen und Aussagen auf. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag und Kollege von Björn Höcke äußerte sich dabei so, wie man es von der AfD im allgemeinen nicht anders gewohnt ist: ganz offen menschenverachtend, um das Mindeste zu sagen. 

Außer ihm waren nur Experten aus Medien und Medienwissenschaften im Rahmen der universitären Debatte auf dem Podium vertreten. 

Die Antwort auf die Frage, was  ausgerechnet den radikal rechten Möller als Experten für Medienrezeption, Medienwirkung und Medienkompetenz auszeichne blieben die Politiktage den Kritiker*innen schon im Vorhinein schuldig. Auch die Frage wieso als Medienkritiker*in ausgerechnet der Vetreter einer extrem Rechten Partei geladen wurde, wo doch jede*r Vertreter*in einer gesellschaftlichen Gruppe kritische Beiträge zu medialen Darstellung der jeweiligen Gruppe hätte leisten können, blieb offen. So ist die AfD als verlängerter Arm von PEGIDA und Co zwar als besonders penetrante Lügenpresse-Schreierin bekannt, die inhaltliche und vor allem absurde Dimension dieser Kritik, die oft genug als harmlos verpackte rechte Ideologie enttarnt wurde, wurde allerdings schon unzählige Male aufgearbeitet. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum die Passauer Politiktage ausgerechnet dieser Stimme und ihren perfiden Inhalten wieder ein Podium bieten wollten. 

 

Rechte Gäste, Gegenprotest, Rausschmiss und Repression

Um die Redebeiträge des Rechtspopulisten zu unterbinden, protestierten mehr als zwanzig Menschen friedlich, indem sie jeden seiner Versuche, sich zu äußern, durch lautstarken Jubel  übertönten, stellenweise wurden Transparente (Texte: „Die AfD ist sooo 1933“, „Keine Bühne für Rassismus“ und "Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist braun") entrollt. In der Konsequenz wurden die Demonstrierenden durch den eigens von den Veranstalter*innen engagierten und in seiner Vorgehensweise sehr unprofessionellen Sicherheitsdienst bedrängt, bevor der Kanzler der Universität Passau, Achim Dilling, den Beteiligten gegenüber ein Hausverbot aussprach. Nachdem niemand der Aufforderung, den Saal zu verlassen, nachkam wurde die Polizei eingeschaltet. Diese hatte bereits vor der Veranstaltung teils zivil gekleidet im Saal und uniformiert auf dem Campus der Universität Stellung bezogen. Unter Androhung unmittelbaren Zwangs und Maßnahmen der Strafverfolgung verließen die Personen nach und nach den Saal. Begleitet wurde der Polizeieinsatz und das gewaltsame Entfernen der Kritiker*innen von massiven persönlichen Beleidigungen, Gewaltandrohungen und vom "Raus! Raus!"-Gejohle vieler Studierender, insbesondere von Vetretern des konservativen RCDS. 

Bemerkenswerterweise hatten diese kein Problem damit, sich mit der Gruppe lokaler AfD-Kreisverbands-Mitglieder zu solidarisieren, die diese Parolen überhaupt erst anstimmte. Deren Anhänger und weitere rechte Funktionäre wurden während der gesamten Veranstaltung von den Besucher*innen, den Sicherheitskräften und der Polizei gänzlich und wohl willentlich ignoriert.

Es bleibt abzuwarten, ob die Universität rechtliche Schritte gegen die eigenen Studierenden einleiten wird. 

Generell sollte sich die Universitätsleitung, sowie die Organisator*innen der Passauer Politiktage selber kritisch der Frage widmen, ob es dem eigenen Anspruch der Universität als Schutzraum für Studierende unterschiedlichster Art gerecht wird, Rassist*innen, Neonazis und anderen Vertreter*innen menschenverachtender Denkweisen – sei es als Besucher*innen oder Referent*innen – Raum zu bieten. Eine Demokratie, so die lapidare Argumentation, müsse eben auch „unbequeme“ Meinungen aushalten können. Doch ist es Betroffenen von abwertenden Ideologien auch zuzumuten sich diesen aussetzen zu müssen, wenn sie an Veranstaltungen zum politischen Zeitgeschehen teilnehmen möchten – und dann auch noch für ihre Kritik ausgebuht werden?

Offensichtlich wird an der Universität Passau zivilcouragierter Protest gegen faschistische Ideologien als wesentlich pluralismus- und demokratiefeindlicher verstanden als die Verbreitung ebenjener selbst. Gewalt, so der scheinbare Konsens, darf daher gegen jene, die sich gegenmenschenverachtende Positionen verwehren nicht nur ausnahmsweise, sondern vor allem unter tobendem Jubel und Rufen nach „mehr davon“ ausgeübt werden.

 

Zum Inhalt (oder eben nicht)

Tatsächlich gab es sowohl im Vorhinein als auch im Nachhinein faktisch keine Plattform der offenen Auseinandersetzung mit Kritik an der Veranstaltung und dem Auftritt von extrem rechten Vertreter*innen an der Universität selbst. Die aalglatten Statements der Passauer Politiktage und der Unileitung verwiesen mit inhaltsleeren Floskeln von Pluralismus und nicht weiter ausgeführtem Demokratieverständnis sowie der Relativierung faschistischer Inhalte als „unbequeme Meinungen“ auf die Option, Kritik an der Veranstaltung als Publikumsbeitrag in der anschließenden Diskussion einbringen zu können. Als ein Zuschauer diese Option ergriff und die Frage nach der Legitimation rassistischer Vertreter*innen im Podium stellte, reagierte zunächst das Publikum genervt von der Idee, sich mit der Frage auseinandersetzen zu müssen. Als Reaktion wurde die fragende Person schließlich von einer Organisatorin mit dem Hinweis abgewiesen, die Meinung der Politiktage dazu auf Facebook nachzulesen zu können. Eine weitere Frage aus dem Publikum erkundigte sich nach den Gründen dafür, dass das Podium rein männlich besetzt war. Auch hier überkam die Fragestellerin eine Welle abwertenden Gejohles, Ausbuhens und Beleidgungen - die Organisator*innen nahmen das kommentarlos hin. Proteste gegen die Statements des rechten AfD-Vertreters hatten sie sich jedoch strikt verbeten, scharf kritisiert und als diskursfeindlich eingestuft.

Ein Vorstandmitglied des lokalen Afd Kreisverbandes, Heiko Fester, der regelmäßig durch extrem rechte Meinungen und Verschwörungstheoriebeiträge auffällt, nutzte die Möglichkeit der Publikumsfragen hingegen um – explizit ohne Fragestellung – sein antisemitisches Weltbild in Form eines Statements zum besten zu geben. Vermeintlich kritisch bezeichnete er die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Propagandamaschinerie und forderte auf mehr darüber zu berichten „was denn wirklich in Rammstein geschehe“ und wer die Geschicke der Menschheit denn in Wirklichkeit lenke. Dies wurde, mangels Fragestellung, vom Podium glücklicherweise nicht weiter aufgegriffen. 

Der AfD-Vertreter Möller selber gab sich während der Diskussion eher flau. Sein ungestörtes Statement konnte der Rechte erst nach ca. einer Stunde von sich geben. Seine Positionen wirkten in Teilen wirr und wenig überraschend. Er warf „den Medien“ vor, die AfD zu boykottieren, da diese teilweise wochenlang nicht über die Erfolge der Partei berichteten und schrieb dies dem Umstand zu, dass alle Journalist*innen dem linksliberalen Lager zuzuordnen wären und sich in einer „linken Filterblase“ bewegten. Weiterhin forderte Möller einerseits, dass die öffentlich-rechtlichen Medien weniger politischem Einfluss unterliegen dürften, andererseits, dass diese rein steuerfinanziert betrieben werden müssten - „aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit“.  (Zudem, so erklärte er später in der Publiukumsdiskussion, sei beispielsweise das TV-Magazin „Panorama“ ein reines „Propagandamagazin“, welches seine Zuschauer mit falschen Informationen für dumm verkaufe. )

Abschließend warf Möller noch thematisch vollkommen unzusammenhängend ein, dass der Sturz der DDR unter dem Diktat der etablierten Medien nie möglich gewesen wäre. Der Sinn erschloss sich keinem der Anwesenden so recht.  In der anschließenden Diskussion wurde Möller zunächst mit zwei Facebookbeiträgen seiner Fraktion konfrontiert und gebeten, diese zu kommentieren. In Bezug auf eine medial durchaus diskutierte antisemitisch anmutende Karrikatur von Kanzlerkadindat Schulz leugnete Möller jegliche Kenntnis selbiger. Ein populistisch, mit Photoshop verfälschtes, Posting des Buchcover des neu erschienenen Buches von Justizminister Heiko Maas wollte Möller keineswegs als AfD Beitrag zu „Fake News“ verstehen. Er klassifizierte dies als Satire und als publizistisches Mittel der AfD-Fraktion. Er bezeichnete die Provokation als präferiertes Mittel der AfD um in den medialen Diskus einzusteigen, da die Partei mit sachlichen Botschaften ja kein Podium bekäme. Mitdiskutant Neuberger kritisierte zurecht, dass Möller es sich hier sehr leicht mache, klassisch populistische Auftrittsweisen schön zu reden. Abschließend erklärte Möller umfangreich, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gebe und, dass es wichtig sei, dass die AfD in ihrem Programm auch solche Thesen vertrete, die von der Wissenschaft nicht geteilt werden. Außerdem äußerte er unerträgliche von Rassismus und gruppenbezogener Abwertung triefende Thesen im Kontext des Lügenpressevorwurfs und des Pressekodexes und dessen Richtlinien zur expliziten Erwähnung von Nationalitäten in der medialen Berichterstattung. 

 

Fazit

Dass es den Mitdiskutierenden, sowie dem Publikum nicht schwer gefallen sein dürfte Möllers krude Thesen, unfundierte Aussagen und wirre Vorwürfe (auch argumentativ) als den Unfug abzutun, den sie dartstellen, war wenig überraschend. Doch die Idee, dass es an diesem Punkt scheitern könnte war wohl zu keinem Zeitpunkt Sorge oder Inhalt der Kritiker*innen an dem Auftritt des radikal Rechten. Vielmehr zeichnete sich der im vorhinein geäußerte Verdacht klar ab, dass Möller zum Thema selber keine sinnvollen oder diskutablen Beiträge leisten konnte, dass sich seine Expertise keinem so recht eröffnete und dass er das Podium letzendlich ausgiebig dazu nutzen konnte um statt konstruktiver Medienkritik schlichtweg abwertende, verschwörungstheoretische und rechte Inhalte zum Besten zu geben. Das mag letztlich niemanden überzeugt haben sich selbigen anzuschließen, doch es macht das Äußern solcher Inhalte, gerade im akademischen Setting, nicht nur wieder salonfähig und diskutabel, sondern stellt auch für die Betroffenen der Hetzbeiträge eine unwürdige Behandlung dar. Es ist explizite Taktik der AfD sich durch Provokationen ins Gespräch zu bringen - eine Vorgehensweise, die dank Projekten wie den Passauer Politiktagen, immer wieder von Erfolg gekrönt ist.