Bericht von der Geflüchteten-Sammelstelle der Bundespolizei in der Danziger Straße – Bewertung und Kritik

Veröffentlicht am Fr., 09/18/2015 - 08:00

Vorab: Leider leidet die ganze Versorgungs-Hilfe-Mobilisierung oft an mangelhaften Kommunikationsstrukturen, deshalb versuchen wir Informationen immer zu verifizieren, bevor wir sie publizieren. Die Überprüfung der Meldungen – die wir auch nur, teilweise mitten in der Nacht, kurz via SMS, bekommen klappt eigentlich nur, indem Leute hinfahren und nachsehen oder, wenn die Info life von Leuten vor Ort kommt. Selbstverständlich versuchen wir dann auch mit der Stadt in Kontakt zu treten und mit Beamten der Bundespolizei zu sprechen um deren Informationsstand und Eindrücke einzuholen. Leider, so haben wir das Gefühl, sind die offiziellen Infos bzw. die der offiziellen Öffentlichkeits-Abteilungen oft sehr vage oder schlichtweg inaktuell. Auch die offiziellen Stellen bekommen die Infos oft erst über die privaten Helfer – daher, bitte Infos und Sachstände dorthin weiter leiten! Während also über offizielle Sprecher*innen der BuPo beispielsweise kommuniziert wird, dass jede Hilfe nicht erwünscht sei, erleben wir die Reaktionen der Beamten vor Ort vollkommen gegensätzlich: Die Polizei freut sich nicht nur über die Hilfe durch private Helfer*innen, sie fordern diese auch direkt an, schicken Helfer*innen gezielt zu „Brennpunkten“ weiter und sind oft sehr erleichtert, wenn Helfer*innen ankommen, da sie selber oft schlichtweg keine Kapazitäten haben. Es mangelt hier allerdings nicht daran, dass die Polizei zu wenig Wasser und Essen hätte, sondern daran, dass keine Logistik zur Verfügung steht – ob zum herumfahren oder austeilen der Sachen. Sich also darauf zu verlassen, dass die BuPo oder die Stadt die ganze Sache „schon regeln“ und da keine Unterstützung gebraucht wird ist fast leichtsinnig – das demotivierende Geplärre mancher Menschen, dass es total übertrieben sei vor Ort zu helfen zeigt vor allem, dass diese wohl die Lage nicht selbst überprüft haben.


Was allerdings wirklich beachtet werden sollte ist der Anspruch KONSTRUKTIV Hilfe zu leisten – also dort, wo sie benötigt wird, Infos weiterleiten und bitte vorher prüfen, sich nicht gleich abwimmeln lassen und die Sachgüter verteilen, die in der Situation sinnvoll sind. Was uns außerdem aufgefallen ist: Mittlerweile liegt ein sehr großer Fokus auf der ehrenamtlichen Organisation und dem Austeilen von Getränken usw. – das ist ohne Zweifel auch wichtig, aber der viel wichtigere Punkt ist es, mit den Geflüchteten, die erschöpft, verunsichert, orientierungslos und deshalb auch teilweise sehr ängstlich und nervös sind, in Kontakt zu treten. Mit ihnen zu sprechen, sie willkommen zu heißen, Ängste zu nehmen, Ruhe zu verbreiten und ihnen wesentliche Infos zu vermitteln: Willkommen, ihr seid hier schon in Deutschland, bitte habt keine Panik, die Polizei hier wird euch nicht misshandeln, ihr werdet nicht eingesperrt in irgendeinen Abschiebeknast. Diese Informationen scheinen banal, doch sie sind nicht selbstverständlich. Viele Geflüchtete haben keine Ahnung was nun passiert, wenn die Polizei sie gegen ihren Willen aus den Zügen holt, viele denken, in Erinnerung an die vorherigen Grenzübertritte, dass dies nun mit Haft, Prügel, abgesperrten Lagern und Gewalt verbunden sei. Viele wissen, wenn sie in Passau ankommen noch nicht einmal ob dies noch Österreich oder schon Deutschland ist. In dem Moment helft ihr den Menschen am meisten mit einem freundlichen Gespräch, einem „Willkommen“ oder einfach netten Gesten.


So, nun zur Situation in der Danziger Straße: Wir haben heute morgen gegen sechs über verschiedene Personen die Nachricht bekommen, dass sie gerade mehrere Stunden in den Hallen in der Danziger Straße geholfen haben und die Lage dort katastrophal sei – nach den Schätzungen mehrere hunderte Geflüchtete in einer Halle (an die 1500 insgesamt) und eine sehr schlechte Versorgungslage. Konkret hieß es u.a. „Die Lage ist einfach katastrophal. Es wird dort laufend Hilfe benötigt, auch Dolmetscher für Arabisch, Farsi, und Kurdisch. (…). Die Lage ist wirklich unbeschreiblich. 1100 Flüchtlinge in jeder Halle. Ca. 18 Polizisten in jeder Halle, dort sind sie die Polizisten für alles zuständig vom Essen verteilen bis Ordnung rein bringen. Es sind sehr viele Kinder und Babys dabei, teilweise krank. Kein warmes Wasser um Babymilch vorzubereiten, nicht genug Milch. keine angemessene medizinische Versorgung, überfüllte Dixiklos. Ohne Helfer müssen die Leute lange ohne essen bleiben.“ – wie haben darauf hin versucht offizielle Informationen von der Stadt und Co einzuholen – nachdem man dort aber auch derzeit auf der Suche nach Infos war, sind wir einfach mal selber zur Halle gefahren.


Wir können die Infos der Helfer*innen vor Ort in großen Teilen bestätigen: Als wir ankamen wurden viele Geflüchtete gerade schon zu den/in die Busse gebracht (die teilweise jetzt bis nach Bremen fahren) und die Hallen waren daher schon etwas leerer. Dennoch waren noch einige hundert Menschen pro Halle da – auch wirklich viele Familien mit Kindern. In der Halle stehen Feldbetten, eng aneinander gereiht, voller Menschen. Problematisch ist dabei, dass die Halle (die vorher als LKW-Garage dient, soweit wir wissen) eben auch eigentlich nur eine riesen Garage ist. Das heißt, gefließt, schlecht oder kaum isoliert (bzw. einfach zugig) und soweit wir das beurteilen konnten auch nicht geheizt – selbst wenn sie heizbar wäre, könnte man die Wärme aber kaum wirklich drin behalten… Die Leute hatten alle „Einweg-Decken“, die aus Papier bestehen – man kann sich das so vorstellen wie ein sehr großes, etwas festeres Taschentuch. Pro Halle waren in etwa 15 Polizist*innen anwesend, die vor allem auch mit dem Austeilen von Essen oder Wache beschäftigt waren – was halt bei wenig Verteiler*innen und vielen Hungrigen wirklich chaotisch werden kann. Als wir morgens hin kamen war es hell, sonnig und die Temperatur ganz okay, es wirkte auf den ersten Blick erstmal nicht wie die „humanitäre Katastrophe“ die wir im Kopf hatten –ALLERDINGS können wir uns durchaus vorstellen, dass die Lage Nachts gleich ganz anders wirkt: Es ist dunkel, eine zugige Garage, gefüllt mit hunderten Menschen, die sich sich in Papierdecken hüllen, dauernd kommen neue Gruppen erschöpfter oder ängstlicher Menschen rein, keiner hat Infos was jetzt eigentlich passieren wird, alle haben Hunger, Durst oder müssen auf Klo, das Baby füttern oder die Kinder ruhig halten, haben tausend Fragen… und das Ganze sollen lediglich 15-20 Beamt*innen managen – also ohne Mist – da ist Chaos vorprogrammiert. Auch wenn die einzelnen Beamten sich echt Mühe gegeben haben, sehr freundlich waren und selber teilweise ein wenig besorgt um die Kleinkinder wirkten – im Rahmen der vorhanden Möglichkeiten haben diese alles gegeben. Es fehlt einfach an personeller Unterstützung v.a. an Menschen, die die Sprachen der Geflüchteten sprechen und übersetzen können.


Hilfsorgas oder Helfer*innen von THW, Maltesern und Co haben wir nicht gesehen. Die Beamten meinten, auf unsere Nachfrage hin, dass da keine solchen Hilfsorgas anwesend seien, aber das BRK habe zwei Kühlwägen für die Vorräte aufgestellt. Das Essen (Bananen, Wasser, Kekse…) liefere ein Caterer. Die Beamten waren wirklich sehr freundlich und offen uns gegenüber, haben sich mit uns über die Situation ausgetauscht und haben die Infos, die wir von den Erst-Helfer*innen von heute morgen hatten, grundsätzlich bestätigt. Dass es kein warmes Wasser für das Baby-Milchpulver gegeben hätte stimme auch, man habe aber inzwischen warmes Wasser organisieren können. Die Dixiklos würden gerade gereinigt (wir wissen aber nicht wie viele das waren) und Klopapier sei wieder da. 
Die Beamten meinten, dass gerade keine Hilfe nötig wäre – aus folgenden Gründen: Die Problematik um fehlendes heißes Wasser und schlimme oder unzureichende sanitäre Anlagen seien schon in Angriff genommen wurden – es gebe nun Wasser für die Babymilch und die Toiletten würden gereinigt. Decken solle man nicht mitbringen, da diese, wenn die Geflüchteten abgeholt werden, möglicherweise zurück bleiben und dann entsorgt werden – dennoch, weil die Papierdecken schon arg dünn seien – würde man uns gerne warme Decken für die Babys abnehmen, falls es für uns okay sei, dass diese eventuell danach entsorgt werden müssen. Die Geflüchteten sollen ja eigentlich nur kurze Zeit in der Halle bleiben – natürlich kann aber die logistische Organisation von Bussen und Busfahrern, die spontan nach Bremen fahren durchaus einige Stunden oder eben eine Nacht in Anspruch nehmen. Die Halle ist – unserer Meinung nach – als Unterbringungsort seeehr unangenehm, allerdings wohl das einzige Gebäude, welches die Polizei bekommen habe. An Vorräten mangele es prinzipiell nicht, die Kinder würden sich natürlich sehr über Süßigkeiten freuen, aber, so sagte man, gerade wenn die neuen Gruppen Geflüchteter ankomme, sei es einfach bei der Verteilung dramatisch.Die detaillierten Berichte der privaten Helfer*innen, die uns nach deren 12-Stunden-„Schicht“ erreichten, scheinen uns vollkommen authentisch. Die Bundespolizei arbeitet nach eigenen Angaben an den Problemen um diese zu beheben – andere Probleme, wie die Decken/Kälteproblematik ergeben sich schlichtweg aus den Umständen. Ob/wie die BuPo personelle, medizinische, sozialtherapeutische, sprachliche Unterstützung durch Ehrenamtliche annehmen oder zulassen wird wissen wir nicht. Der bisherige offizielle Stand ist, dass man nicht hinkommen solle und das Betreten durch Zivilisten verboten sei. Leute, die aber konstruktiv helfen können, z.B. durch Übersetzungen usw. schienen uns durchaus erwünscht zu sein.


Trotz der verschiedenen Umstände, die in Teilen änderbar sind (Klo-Container, Warmwasser…) und Problematiken, die nicht änderbar sind (Struktur des Gebäudes) und der Tatsache, dass die BuPo vermutlich keine Lust hat darauf, dass hunderte Helfer vollkommen unkoordiniert rein- und rausrennen und Zeug reinschleppen, denken wir, dass hier verschiedene Formen der Hilfe und Organisation möglich und wichtig wäre.
Voraussetzung wäre aber, dass die Bundespolizei OFFIZIELL Hilfe seitens anerkannter Orgas wie THW, Maltesern, Caritas (…) annimmt oder anfordert und die Stadt mit einbezieht usw. Die Unterbringung von Familien mit Kindern in beheizbaren Gebäuden – oder das Aufstellen von großen Zelten innerhalb der Halle, in der sich Mütter mit Kindern zurückziehen können, wo es einfach wärmer ist, wäre eine Option.


Das aktuelle Problem in der Versorgung der Geflüchteten liegt sicher nicht an der fehlenden Bereitschaft von Menschen zu helfen, nicht an fehlender finanzieller Kraft oder Sachgütern – das Problem liegt hier, unserer Meinung nach, an fehlender Kommunikation unter den Behörden und Organisationen, an chaotischen Informationsstrukturen, daran, dass Infos immer nur total kurzfristig kommen – auch wenn dies durchaus anders möglich wäre – und Defizite in der Versorgung immer erst dann eingestanden werden, wenn die Situation fast eskaliert oder schon durch Zeugen öffentlich gemacht wurde. Während offizielle Stellen aus vollem Halse verkünden „alles sei wunderbar und unter Kontrolle“, widersprechen die Aussagen der Einsatzkräfte vor Ort und die beobachtbaren Situationen dem vollkommen und es wird explizit um Hilfe gebeten. Das ständige „Kommt vorbei und helft“ und fünf Minuten später wieder ein „Nein, Sie dürfen hier nicht rein!“ ist einfach nur nervig und demotivierend und schadet vor allem den Geflüchteten und bringt Einsatzkräfte und Helfer an den Rand der Erschöpfung.


Oder um es ganz platt zu sagen: Wenn das unnötige Kompetenzgerangel verschiedener Institutionen einfach dazu führt, dass mitten in Passau unzählige Familien, in einer Garage sitzend, ihre Babys in Papierdecken hüllen, obwohl es Hilfsstrukturen gebe, dann ist das einfach nur verachtend und verurteilenswert! Wenn die Politik veranlasst, dass Menschen, die eigentlich in andere Länder weiterreisen möchten, hier gegen ihren Willen festgehalten und aufgrund der Masse nicht versorgt werden können, dann sollten die politischen Verantwortlichen doch endlich Vernuft zeigen und die Menschen weiter reisen lassen! Das Gejammere, andere europäische Länder sollten ihre Verantwortung gegenüber den Geflüchteten wahrnehmen und diese aufnehmen, weil Deutschland nicht alle unterbringen könnte erscheint vollkommen abstrus. Eine sehr große Anzahl der Geflüchteten die hier durch die Polizei aufgegriffen werden haben überhaupt kein Interesse daran in Deutschland zu bleiben, sie möchten in die Länder weiter reisen, in denen die Familie haben. Auch deshalb haben die unter Aufgegriffenen teilweise große Angst davor hier zwangsweise registriert zu werden, denn dies bedeutet, dass die Reise in Deutschland zu Ende ist – außerdem sind die die nächsten Monate über die Residenzpflicht an die Erstaufnahmen gebunden. Das Verlassen des Bezirks wird unter Strafe gestellt. Wenn die Politik meint die Leute nicht versorgen zu können, wie unsinnig ist es denn dann, sie gegen ihren Willen hier fest zu halten? Bewegungsfreiheit ist ein Grundrecht – lasst die Menschen verdammt noch mal in Ruhe und in Frieden zu ihren Familien weiter reisen!


[Dies sind unsere Eindrücke und die Informationen, die man uns vor Ort gab – natürlich können da auch Fehlinfos drin stecken oder solche, die über *offizielle Kanäle* anders formuliert werden – wir können daher leider keine Verbindlichkeit garantieren. Wohl aber, dass alle die Informationen genau so an uns herangetragen und von uns selber so beobachtet wurden]