Traditionell ist die jährliche öffentliche Gedenkveranstaltung der Stadt Passau zum Volkstrauertag im November (dieses Jahr am 17.11.2019) Anlass für Neonazis verschiedenster Organisationen in Passau aufzutreten. In den Jahren 2014 bis 2017 wurde die Veranstaltung von der neonazistischen Partei „Der III. Weg“ besucht, welche jährlich einen von drei am Vortag in Wunsiedel dem verstorbenen Rudolf Heß gewidmeten Kränze am Passauer Kriegerdenkmal niederlegten. Nachdem die Stadt Passau jedoch die Beteiligung der Rechtsextremen durch das Niederlegen eines eigenen Parteikranzes unterband, schien die Veranstaltung die "Nationalen Aktivisten" im vergangen Jahr weniger zu reizen. Die Parteiaktivisten frequentierten im Jahr 2018 schließlich die offiziellen Gedenkveranstaltung der Gemeinde Hofkirchen (Lks. Passau) am dortigen Soldatendenkmal.
Doch auch in jenem Jahr blieb der Passauer Innstadtfriedhof nicht von völkischen-nationalistischen und ihrem Gedenken an ihre Vorbilder aus der NS-Zeit verschont. Doch wer gedachte hatte, dass die Stadt Passau sowie die Exekutive nach den Jahren der Querelen, seichten Ausreden, müden Lösungsansätze und bemühten Beschwichtigungsfloskeln ob der Teilnahme des „Der III. Weg“ gelernt hätten irrte. Zum Volkstrauertag 2018 marschierten statt der Neonazis in Parteiklamotte, die völkischen Nationalisten der Burschenschaft Markomannia Wien mit Verbindungsuniform („Couleur“) und Kranz auf dem Innstadtfriedhof auf. Wie auch die Parteiaktivisten in den Vorjahren nahmen die rechtsextremen Verbindungsstudenten unbehelligt und ganz offiziell an der Trauerfeier teil. Sie wurden, wie alle anderen Gäste auch, trotz vorheriger Information über die Burschenschafter, vom Oberbürgermeister mit Handschlag begrüßt und verabschiedet. Ungestört konnten Sie ihren toten Mitgliedern, darunter ranghohen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären, wie Otto Skorzeny oder Otto Koller gedenken. Weder die städtischen Vertreter*innen, noch die zahlreich anwesenden Polizeikräfte störten sich an den rechten Burschenschaftern, deren extrem rechte Gesinnung inzwischen nicht nur in Passau weitreichend bekannt sondern laut BR auch dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtungswürdig erscheinen sein soll.
"Die Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf ist bestens in der extremen Rechten vernetzt. Sie stellt eine Schnittstelle und ein organisatorisches Bindeglied zwischen Teilen der AfD und Junger Alternative, der Identitären Bewegung, dem rechten Hooligan-Milieu und der offenen Neonazi-Szene dar.“, fasst ein Antrag der Fraktion BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN an den Bayerischen Landtag die Masse bisheriger Rechercheerkenntnisse zu der bekennend völkisch-nationalistischen Burschenschaft zusammen.
Besonders pikant: Als einer der drei abgesandten Markomannen nahm 2018 Tobias Lipski an dem Soldatengedenken teil. Der ehemalige Offiziersanwärter und Student der Universität der Bundeswehr in München war Ende 2016 und Anfang des Jahres 2017 durch juden- und ausländerfeindliche Sprüche oder Nazi-Parolen wie "Heil Hitler" allgemein aufgefallen und nach entsprechenden weiteren Recherchen und Erkenntnissen zu dessen rechtsextremen Verstrickungen fristlos aus der Bundeswehr entlassen worden. Die Ermittlungsbehörden verdächtigten Tobias Lipski darüber hinaus zu einem Netzwerk von Rechtsextremisten im Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsministeriums zu gehören, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen zu haben und darüber hinaus einen Anschlag auf die damalige Verteidigungsministerin anlässlich deren Besuchs der Bundeswehr-Universität in München-Neubiberg (24. Juni 2017) geplant zu haben. [Infoticker berichtete]
Bindendes ideologisches Element der neonazistische Partei Der III. Weg und der völkisch-nationalistischen Burschenschaft sind die „Heldengedenken“ als zentraler Bestandteil ihrer politischen Arbeit, Kultur- und Deutschtumspflege. Dabei geht es häufig darum die deutsche Geschichte vermeintlich zu bewahren, vor allem aber darum, sie umzudeuten und NS-Verbrechen und ihre Akteur*innen in ein positives Licht zu rücken. Gleichzeitig ist es Teil der Selbstinszenierung der Neonazis als „normaler“, anerkannter Teil der Gesellschaft im Stadtbild agieren zu können, sowie Machtdemonstrationen und Provokation, wenn an einer Zeremonie zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus völkische Nationalisten und Neonazis ungestört teilnehmen und die Feierlichkeiten zum Gedenken an den Hitlerstellvertreter Rudolf Heß oder andere ranghohe NS-Schergen instrumentalisiert werden.
Auch in diesem Jahr ist zu befürchten, dass sich wieder Mitglieder rechtsextremer Organisationen, wie der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“, der Burschenschaft Markomannia Wien oder auch solche anderer Strukturen [!] in Passau zum Volkstrauertag am 17.11.2019 auf dem Innstadtfriedhof einfinden werden.
Wir appellieren daher an die Stadt Passau als Veranstalterin aber auch den Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr/Kreisgruppe Passau und den VdK-Kreisverband sowie alle mitgestaltenden und teilnehmenden Trauergäste dieses Jahr endlich keine rechtsextremen Vertreter*innen und deren offizielle Teilnahme an der Kranzniederlegung zu tolerieren.
Jährlich empfinden Antifaschist*innen die leeren Worthülsen und beschönigenden Ausreden [die schon seit Jahren eben das sein dürften: Für alle Beteiligten peinliche Ausflüchte] sowie die folgenlose Umwidmung des Volkstrauertagsgedenkens in ein Gedenken an die „Opfer der beiden Weltkriege und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ als beschämend. Dem jährlichen Versprechen und Aufrufen vom 9. November, welche ein energisches „Nie wieder“ fordern, muss knapp zwei Wochen später die konsequente und couragierte Umsetzung des Mottos folgen!
Vor allem aber fordern wir: Keine Ausreden mehr! Egal um welche rechtsextreme Organisation es sich dieses Jahr handeln mag, auf die man vermeintlich von offizieller Seite aus wieder einmal „überhaupt nicht vorbereitet war“. Ein jedes Jahr die selben Ausflüchte, jedes Jahr die Gängelung anwesender Antifaschist*innen mit teils unglaublich dummdreister Argumentation seitens der anwesenden Streifenbeamt*innen während man „auf dem rechten Auge blind“ oder gar wohlwollend die Teilnahme verfassungsfeindlicher Organisationen und ihrer Vertreter*innen unkommentiert zulässt.