Artikelgliederung
1. Chronologie & Übersicht der Passauer „Corona-Rebellen“-Proteste
2. Hintergründe & Positionen der Akteur*innen
2.1 Entstehung und Position(en) der Passauer Bewegung
2.2 Das Orga-Team hinter der “Passauer Bewegung Für die Freiheit 2020“
2.3 Netzwerk der Bewegung: Referent*innen & Unterstützer*innen
2.4 Demobesucher*innen: Spektrum der Bewegung
3. Ideologie und Forderungen der Bewegungen
3.1 Einender Nenner der Bewegung & Spektrum der Positionen
3.2 Codes der Bewegung
3.3 Rhetorik der Bewegung
4. Halbherzige Abgrenzungsversuche und aggressive Legitimation
4.1 Umgang und Einbindung der organisierten extremen Rechten
4.2 Rezeption und Abgrenzung zu kontroversen Inhalten
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Der vorliegende Artikel bietet einen chronologischen Überblick zur Entstehung und Entwicklung der Passauer „Corona Rebellen“-Demos und der dahinter stehenden Bewegung, sowie eine Skizzierung der Hintergründe und prägenden Positionen ihrer Hauptakteur*innen. Nach der anfänglichen (selbst-)verortung als „Corona Rebellen“ sammeln sich die Gegner*innen der „Corona Diktatur“ inzwischen unter dem Label „Passauer Bewegung für die Freiheit 2020“. Das organisatorische Kern-Team hinter der Bewegung, welches die Anmeldungen und Versammlungen aber auch die Vernetzungs- und Medienarbeit organisiert und die öffentlichen Positionen der Bewegung formuliert, besteht aus dem Unternehmerehepaar Stephan und Daniela Folkinger, dem „Gesicht der Bewegung“, Vivien Vogt, sowie dem Musiker Daniel Kirchhoff und dem technischen Verantwortlichen, NPD-Funktionär Martin Gabling. Gemeinsam hat sich das Orga-Team bereits ein beachtliches Netzwerk aus Personen und Initiativen geschaffen, welches die neue „Passauer Freiheitsbewegung“ durch Expertisen, Reichweite und Kontakte in die rechtsoffene „Querdenkerbewegung“ unterstützt. Darunter finden sich der Gynäkologe und Naturmediziner Dr. Ronald Weikl, der YouTube-Kanal des rechten Widerstands „Hallo Meinung!“ um Peter Weber, das lokale Lifestylemagazin PAparazzi und die parawissenschaftliche Initiative „Cosmic Society“ sowie ein gewisses Klientel aus dem Umfeld der lokalen AfD.
Die Demonstrationen der Bewegung, welche inzwischen seit Anfang Mai wöchentlich stattfinden, ziehen jeweils 200-400 Teilnehmer*innen an und stellen damit die größten Proteste Nieder- bzw. Ostbayerns. Das Spektrum der Bewegung zeigt sich auf dem Demonstrationen als vermeintlicher Querschnitt der Gesellschaft und weniger öffentlich als verschworene Community in der Telegramgruppe „Corona Rebellen Passau“.
Die inhaltliche Einordnung der Positionen und einender Nenner der Bewegung wird im vorliegenden Artikel über die Analyse der offiziellen Demoaufrufe der Bewegungs-Website sowie über die zur Schau getragenen Demo-Schilder und Redebeiträge der Demoreferent*innen hergeleitet. Trotz eines zunächst breiter gestreut wirkenden Spektrums an Positionen und Protestanliegen der Demo-Teilnehmer*innen bzw. Mitglieder der „Passauer Freiheitsbewegung“, gelingt besonders über die Analyse deren verwendeter Codes und Rhetorik eine klare Identifikation herkömmlicher verschwörungsideologischer Erzählungen und Glaubenskonzepte als einender Nenner der Bewegung: Man möchte Widerstand zeigen, gegen die perfiden Pläne geheimer Schattenmächte, welche durch ihre vermeintliche Lenkung der internationalen Politik ihren Einfluss dahingehend ausüben, die Freiheiten der Menschen schleichend einzuschränken, demokratische Grund- und Freiheitsrechte auszuhebeln und mittels gigantischer Meinungs- und Medienmanipulation dafür zu sorgen, dass ihre Pläne zur Errichtung einer „Neuen Weltordnung“ nicht untergraben werden (können).
Im Kampf gegen die vermeintlichen Schattenmächte und ihrer Etablierung der „Corona Lüge“ als Maßnahme der Umsetzung ihrer wahren Machtbestrebungs-Interessen und Vorwand zur vermeintlichen legitimen oder alternativlosen Entrechtung der Menschen durch „Infektionsschutzmaßnahmen“, scheint den Corona Rebellen im Prinzip jedes Mittel und jede Allianz recht, um „die Menschen wach zu rütteln“ und in den Widerstand zu rufen. So werden nicht nur völlig abstruse bis hin zu menschenfeindlichen, antisemitischen oder schlicht wahnsinnige Inhalte, Argumentationsmuster und Ideologien unkritisch rezipiert - solange sie das Anliegen der Bewegung stützten. Solcherlei Inhalte werden geradezu aggressiv legitimiert und jeder Hauch einer Kritik, und sei sie nur intern geäußert, als Verrat und Gegnerschaft zur Freiheitsbewegung, wenn nicht sogar als koordinierter Beitrag zur Verschwörung gegen dieser selber verstanden. Entsprechend offen zugewandt gestaltet sich der Umgang mit Akteur*innen und Organisationen der organisierten extremen Rechten, welcher sich weiterhin in der Einbindung von Funktionären der neonazistischen Rechten bis in den ernsten Kern des Orga-Teams der Bewegung äußert. Legitimiert wird dies durch einen vermeintlichen, die Bewegung gestaltenden Meinungspluralismus, welcher ihre Anhänger*innen über die politischen Lager hinaus unter dem gemeinsamen Ziel, der „Freiheit vor den Unterdrückungs-Bestrebungen diverser Schattenmächte und Herrscher-Eliten“, eint.
Die Passauer „Corona Rebellen“-Bewegung: Überblick zu Organisation, Akteur*innen und Ideologien
1. Chronologie & Übersicht der Passauer „Corona-Rebellen“-Proteste
Im Kontext deutschlandweit beobachtbarer Formierungen an Protesten und ersten Demos gegen die “Corona Maßnahmen” der Regierung, gründetet sich im April 2020 auch in Passau ein Ableger der Bewegung. Wie in anderen Städten sammelten sich die lokalen “Corona Rebellen” zum Austausch und zur Vernetzung in einer Gruppe über den Messengerdienst Telegram (“Corona Rebellen Passau”). Aus dieser Gruppe heraus entstand die Organisation der ersten angemeldete Aktion [1] der „Corona Rebellen“ in Passau. Am Samstag den 02. Mai 2020 versammelten sich dafür auf dem Ludwigsplatz/in der Passauer Fußgängerzone rund 70 Corona-Rebellen. Das Publikum, welches Anmelder Stephan Folkinger fast eine Stunde lang mir wirren Vorwürfen und Schimpftiraden über die „Corona Maßnahmen“ durch ein Megaphon beschallte, zeigte sich als Mischung von Menschen aus dem Spektrum der Impfgegner*innen, Verschwörungsideolog*innen und der AfD sowie neugierigen Passant*innen. Auch Vivien Vogt und ein junger Mann mit „Anti NWO“-Aufdruck auf dem Shirt, ergriffen das Wort. Wegen der krassen Auflagenverstöße gegen den Infektionsschutz (Mindestabstand, Teilnehmerbeschränkung auf 50 Personen) kam es zu Beschwerden gegenüber Stadt und Polizei.
Die zweite angemeldete Aktion der „Corona Rebellen“ in Passau fand eine Woche später, am 09. Mai im Klostergarten/Cagnes sur Mer Promenade statt. Wieder ohne Beachtung jeglicher Demoauflagen sammelten sich diesmal quantitativ kaum erfassbare 200-400 Personen in einem Massenauflauf rundum das Organisator*innen-Trio, das Ehepaar Folkinger und Vivien Vogt. Unter den Teilnehmenden fanden sich, prominent platziert, auch eine Delegation der lokalen AfD, Impf- und Abtreibungsgegner*innen, Reichsbürger*innen, "Freiheitskämpfer", „besorgte Bürger*innen“ und Schaulustige und „Rebellen“, welche krasse antisemitische Codes (z.B. „Ungeimpft“-Davidstern) zur Schau stellten. Auch auf diese Demo folgten wegen massiver Verstöße gegen die Versammlungsauflagen Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten gegen die Organisator*innen.
Die dritte Demo der Corona Rebellen stand wegen der Ordnungswidrigkeiten der vorangegangenen Versammlungen unter dem Stern einer neuen Passauer Stadtverordnung. Die städtischen Beschlüsse zu Demoauflagen in der Corona-Zeit sorgten für eine Verlagerung der „Corona-Rebellen“-Versammlung auf den Dultplatz aka weitläufigen Parkplatz der Dreiländerhalle im Passauer Industriegebiet. Dort fanden sich am [3] Samstag den 16. Mai ca. 270 Personen ein um unter Einhaltung des Mindestabstands und den Augen der Exekutive gegen die „Corona-Diktatur“ protestieren. Auch die Demoorga lief bei dieser Versammlung professionalisiert ab: Mit Tonanlage, Musikbeiträgen und Demo-Referent*innen (Dr. Weikl) gestaltete das Orga-Trio ein zuvor auch auf der neuen „Website der Passauer Bewegung“ (www.fuerdiefreiheit2020.org) publiziertes, einstündiges Programm. Erstmals trat hier der Passauer NPD-Vorsitzende, Martin Gabling, als Tontechniker und Anlagen-Verantwortlicher der Demo auf, der fortan als fester Teil das Orga-Team der (selbst so benannten) “Passauer Bewegung Für die Freiheit 2020”. Unter diesem Namen sollten die organisierten Corona-Rebellen der Region weiterhin auftreten.
In der vierten Woche offenbarte sich eine als „Spaltung“ der lokalen Corona-Rebellen-Bewegung wahrgenommene Entwicklung. Während das Orga-Team Folkinger-Vogt-Gabling seine Demo mit 300 angemeldeten Personen am 23. Mai [4a] wieder in den Passauer Klostergarten verlagerte, versuchte sich der lokale AfD Kreisverband um Ralf Stadler, MdL darin das Thema und das Corona-Rebellen-Publikum für eine Parteiveranstaltung „Gegen den Corona Wahnsinn“ [4b] auf den Dultplatz zu ziehen. Der Plan der Trittbrettfahrer*innen, die für ihre Veranstaltung weder an Technik noch an Parteiprominenz gespart hatten, floppte mit kaum 30 Besucher*innen. Die Demo der „Für die Freiheit 2020“-Orga im Passauer Klostergarten verzeichnete hingegen Zuwachs. Rund 400 Personen versuchten in den abgesperrten Demobereich zu gelangen um den Referenten (eine ehem. Lehrerin und ein „Freigeist und Sportenthusiast“) und Musikbeiträgen zu lauschen. Erstmals trat hier der ex-DSDS-Kandidat, Daniel Kirchhoff, als musikalische Begleitung der Demo auf. Er ergänzt fortan als fester Teil des Programms die Versammlungen um musikalische Beiträge. Wegen der Auflagenbeschränkung auf 300 Versammlungsteilnehmende wurden jedoch 100 Personen abgewiesen, welche der Demo schließlich außerhalb des Zaunes beiwohnten. Darunter auch zwei Personen aus dem Reichsbürgerspektrum welche eine große Reichsflagge zur Schau trugen und nach etwa 20 Minuten Teilnahme an der Versammlung von den Ordnern gebeten worden waren das Versammlungsgelände zu verlassen.
Die fünfte Demo der Corona Rebellen um das OrgaTeam „Für die Freiheit 2020“ am 30. Mai [5] fand nach gleichem Konzept organisiert erneut im Passauer Klostergarten statt. Diesmal sollte der Demobereich für 400 Teilnehmende geöffnet sein, es fanden sich laut Zählverfahren jedoch lediglich ca. 350 Personen zu Rede- und Musikbeiträgen gegen die „Corona Diktatur“ auf dem Gelände ein – darunter auch Personen aus dem Spektrum der Passauer AfD. Das Orga-Team bestehend aus dem Ehepaar Folkinger und Vivien Vogt brachte sich über Redebeiträge ein, ebenso wie die Mutter eines Sohnes mit Behinderung (in eben dieser Rolle), welche bereits bei der ersten Demo schon gesprochen hatte. Das Musikprogramm gestaltete Daniel Kirchhoff, die Tonanlage und den Bühnenaufbau managte Martin Gabling.
2. Hintergründe & Positionen der Akteur*innen:
2.1 Entstehung und Position(en) der Passauer Bewegung
Wie an den meisten Orten formierten und organisierten sich die Passauer Corona Rebellen zunächst in einer Telegramgruppe. Hier tauschen inzwischen rund 200 Mitglieder der Passauer Telegramgruppe Informationen aus, posten Links, diskutieren und mobilisieren zu Aktionen in Passau und Umgebung. Der überwiegende Teil der in die Gruppe gestellten und dort rezipierten Inhalte (dutzende Messages am Tag) besteht aus verschwörungsideologischen und vermeintlich „unabhängigen“ Nachrichten, Enthüllungen und Thesen gängiger Vordenker und Plattformen der rechtsoffenen sogenannten Querdenkerbewegung. Mittels Onlinebeiträgen, Bildern, Grafiken und Videos werden die Teilnehmer der Gruppe darüber „aufgeklärt“, was die „Mainstreammedien“ der Bevölkerung vermeintlich verschweigen wollen oder müssen. Darunter die Geheimpläne der Mächtigen, Verstrickungen und Netzwerke der Politik und der „herrschenden Eliten“ und „die Wahrheit“ hinter den „Lügen“ mit denen das Volk in Unwissenheit, Angst und falschen Annahmen gehalten, manipuliert, kontrolliert und entrechtet werden soll. Wer diese Zusammenhänge erkennt, hinter die Fassade von Politik und Medien schaut und „Dinge in Frage stellt“ anstatt der „von Medien und Regierung vorgegebenen Meinung und Darstellung“ arglos zu folgen, so wird suggeriert, könne sich als „Teil der Erwachten“ dem Widerstand gegen das System anschließen und dafür kämpfen das Volk davor befreien von den Herrschenden in den unvermeidlichen Niedergang gelenkt zu werden. Dieser scheinbare Konsens des Onlineforums der Corona Rebellen findet sich codifiziert auch in ihren öffentlichen Auftritten wieder, wenn etwa Demoorganisatorin Vivien Vogt die Masse dazu auffordert „endlich zu denken“ und sich zu befreien um endlich keine Marionette mehr sein zu müssen, denn wir alle seien nur fremdbestimmte Marionetten „derer da oben“. Die „Corona-Krise“ wird von den Mitgliedern der Telegramgruppe (überwiegend) und von den Demo-Organisator*innen explizit als Maßnahme einer Verschwörung verstanden, welche eine Pandemie erfand um unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes die Bevölkerung zu entrechten, das Grundgesetz faktisch abzuschaffen und in der BRD unbemerkt ein diktatorisches Herrschaftssystem zu implementieren.
Um dagegen organisiert Widerstand zu üben fand (auch) aus Reihen der „Corona Rebellen Passau“-Telegramgruppe das Orgateam des Passauer Ablegers der Bewegung, bestehend aus Daniela und Stephan Folkinger und Vivien Vogt, zusammen. Das Trio fungiert als Anmelder der Versammlungen, entwarf die Website der “Passauer Bewegung für die Freiheit 2020” (Fuerdiefreiheit2020.org) über welche die Orte, Zeiten und Ablaufpläne der nächsten Demos publiziert und Aufrufe und Hilfegesuche der „Corona Rebellen“ koordiniert werden. Auch die Pressearbeit, Moderation der Demonstrationen und Vernetzung der lokalen Bewegung mit gleichgesinnten Akteur*innen und Unterstützer*innen wird von den Dreien gestemmt. Sie treten, besonders in Person von Vivien Vogt als das Gesicht und die Sprecher*innen „der Bewegung“ auf, welche sich im realen Leben auf den Demos und virtuell in der benannten Telegramgruppe formiert und präsentiert. Obwohl aus Reihen der „Corona Rebellen“ gerne darauf verwiesen wird, dass die Demobesucher*innen und die (inhaltlich höchst problematisch ausgerichtete) Telegramgruppe nicht personell deckungsgleich seien, kann von großen personellen Überschneidungen ausgegangen werden. Dies belegt beispielsweise auch Vivien Vogts Aufruf auf der Demonstration am 30.05 sich der lokalen Bewegung für die Freiheit durch den Besuch der Demos und/oder den Beitritt in die Telegramgruppe anzuschließen.
Aufruf der “Passauer Bewegung Für die Freiheit 2020“
Auf der Website „fuerdiefreiheit2020.org“, auf welchem sich das Demo-Orgaeam als Sprachrohr der Passauer „Corona Rebellen“- bzw. -selbsternannten „Freiheitsbewegung“ darstellt, finden sich einige Hinweise auf die Motivation, Positionen und Ziele der lokalen Bewegung.
Dort beschreibt Vivien Vogt im Aufruftext: „Die Repressalien haben in der C.-Diktatur [Anm.: C = Corona] ihren Höhepunkt erreicht. Dem werde ich nicht tatenlos zusehen!“. Sie führt weiter aus, „Dass wir seit Jahren in eine immer stärker um sich greifende Anti-Demokratie und Entmündigung des Bürgers reinregiert werden“ und es Zeit sei „diesem willkürlichen Treiben ein Ende zu setzen“. Die Corona-Krise bzw. die Pandemie versteht die Freiheitsbewegung lediglich als Ablenkungsmanöver der Regierung zur umfassenden Entrechtung der Bevölkerung. Dagegen gilt es Widerstand zu leisten: „Aus einer zu Beginn harmlosen Mikrobe, die zu einer Pandemie aus taktischen Gründen hochstilisiert wurde, hat sich gleichzeitig eine nationale Bürgerbewegung entwickelt. Es ist der Anfang des Endes eines Systems, dass wir zwar einerseits jahrelang mit unser Duldamkeit [sic!] und Bequemlichkeit unterstützt haben, das uns aber jetzt so offensichtlich unserer Grundrechte berauben will. Aufbegehren und für seine Rechte aufstehen, ist das Einzige, was nun zählt. […] Es werden von Minute zu Minute, von Stunde zu Stunde mehr Menschen. Die Welle rollt unaufhaltsam und das Endspiel ist eingeläutet.“ 1
In der Websiterubrik „Eine Chronologie des Wahnsinns“ beschreibt der Admin der Seite (vermutlich Vivien Vogt, die das Gedicht ebenfalls auf der Demo am 16.05 vortrug) in einem selbstverfassten Gedicht ihre Interpretation der aktuellen Verhältnisse und die Wahrheit hinter der vermeintlichen Corona-Verschwörung sehr konkret:
Darin kritisiert sie den Pandemie-Notfallplan der Regierung gegen das „Virus aus Wuhan“ als Maßnahme der erzwungenen Installation einer vorgegebenen Einheitsmeinung auf Regimelinie, wie es in diktatorischen Systemen üblich ist: „Die Regierung schreitet gegen pluralistische Meinung ein - Wie damals schon der SED-Verein." 2
Weiterhin soll die Regierung um Kanzlerin Merkel mittels Propagandamaschinerie („Brav werden wir jeden Tag von Virologen, Ökonomen und Politologen gleichermaßen belogen.“) versuchen ein System der Angst und der Unterdrückung erzeugen, um die Bevölkerung wie zu DDR-Zeiten, kontrollieren zu können: „Mit allen Mitteln erzeugt man bei den Menschen Angst - Zum Zwecke der Denunzianz - Man versucht uns immer zu spalten -Mit allen Gewalten - Frau Merkel, erinnert sie dies nicht nostalgisch an frühere Zeiten?" 3
Ziel der Regierung bzw. des herrschenden Regimes soll es sein, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung abzuschaffen um Kritik zu verunmöglichen, welche ihre perfiden Pläne aufdecken und stören könnte: „Wie war das doch gleich mit der Meinungsfreiheit in diesem Land?! Ähm.. die ist uns da Oben leider gänzlich unbekannt! Massenpanik und Konditionierung - Sind die Methoden und Waffen dieser Regierung - Kein Mittel ist uns gar zu schlecht –Hauptsache unsere Mär bleibt aufrecht.“ 4
Schließlich widmet sich die poetische Analyse dem geheimen Ziel der vermeintlichen „Corona Verschwörung“, welche die Massenermordung von Menschen durch Gift, getarnt als Impfung, ermöglichen soll: „Ein Diskurs der Angst - Hinter der sie sich verschanzt - Um Pläne auszuklügeln - Den Impfzwang einzuführen […] Impfzwang für alle eine Todesfalle!“ und weiter, „Der Mensch als Versuchskaninchen für seine kranken Gedanken. - Wenn dieses Experiment gelingt, die Weltbevölkerung dezimiert geschwind.“ 5
Wer dieser „er“ ist, der zur Auslebung seiner perversen Träume von einem Weltweiten Menschenexperiment die Corona-Verschwörung ins Leben rief und die willfahrigen politischen Führer*innen dieser Welt wie Marionetten lenkt wird ebenso klar benannt: „Bill Gates greift ein, wo er kann - Hält die Welt in seinem Bann - Denn Gates…äh…Geld regiert nun mal die Welt!“ 6
Zusammenfassende Grundannahme der “Corona Rebellen”/Passauer Freiheitsbewegung:
Ein verrückte Milliardär soll also mehr oder minder aus Spaß heraus die Mär von einer tödlichen Virus-Pandemie kreieren, welche die Regierungen weltweit mittels manipulierten Propagandamaßnahmen (Schreckensbildern und lügenden Expert*innen) weiter tragen um den Widerstand der Menschen gegen die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht auszuhebeln, wobei es sich bei dem als „Zwangsimpfung“ verabreichten Mittel in Wirklichkeit um eine tödliche Falle zur Bevölkerungsreduktion handeln soll, welche große Teile der Menschen nicht überleben werden. Wer dies nicht mittels Google-Recherche erkennt und „erwacht“ und sich dem Widerstand anschließt, ist entweder dank erfolgreicher Manipulation durch die Regimepropaganda bereits eine „Marionette“, oder sogar selber Teil der Verschwörung, bestehend aus Virologen, Ökonomen, Politologen, Regierungsmitgliedern und (Mainstream-)Medien.
Verpackt werden die verrückten Thesen und Interpretationen der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen auf der Website der Passauer Rebellen anschließend noch einmal mittels harmlos anmutender, positiv besetzter Begriffe im praktischen Hashtagformat:
„Wir sind für #Impffreiheit #Meinungspluralismus #transparenter Journalismus# Meinungsfreiheit #Grundrechte #Bargelderhalt #Eigenverantwortung #Mündigkeit #Aufklärung #Coronauntersuchungsausschuss #Basisdemokratie“ - Fuerdiefreiheit2020.org
2.2 Das Orga-Team hinter der “Passauer Bewegung Für die Freiheit 2020“
Die Passauer Demos gegen die “Corona Diktatur” wurden zunächst vom Ehepaar Stephan und Daniela Folkinger organisiert. Diesen schloss sich Vivien Vogt an und später weitere Akteur*innen, die inzwischen wohl zum organisatorischen Kern der lokalen “Corona Rebellen”-Bewegung zählen. Darunter der ex-DSDS-Teilnehmer und musikalische Verantwortliche Daniel Kichhoff, der Gynäkologe Dr. Ronald Weikl und als Soundmaster und technischer Verantwortlicher der Bewegung, der Passauer NPD-Vorsitzende Martin Gabling.
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Stephan Folkinger: Anmelder der Bewegung
Stefan Folkinger ist Handyvertragshändler aus Thurmannsbang. Mit seiner Frau Daniela (Berufsschuldozentin für Pflegefächer, und "Theta Healing"-Coach) betreibt Folkinger ein Unternehmen ("DaFo-Energy") welches Betten „für ein ganzheitliches Schlafsystem“ und Glaskaraffen "mit einem Aufkleber mit den 7 Unendlichkeitszeichen welcher das Wasser zusätzlich in rechtsdrehend umwandelt", vertreibt. Als Geschäftsführer von „DaFo-Energy“ tritt Folkinger auch offen bei den Passauer Demos auf, wo er als Versammlungsleiter mit dem Logo seines Unternehmens auf dem Hemd posiert. Stephan Folkinger dürfte ideologisch dem Spektrum aus Esoterik und alternativer Heilkunde zuzuordnen sein. So beschreibt er auf der Geschäftswebsite gängige esoterische Glaubensüberzeugungen, wonach beispielsweise für einen gesunden Schlaf „das Schlafzimmer vollständig entstört und alle negativen Belastungen [...] neutralisiert“ werden müssen um „frei von Belastungen durch Elektro-Strahlung (Handy, WLAN, Stromnetz, etc.), 5 G, Funkmasten, PV-Anlagen, Erdstrahlen/ Erdmagnetfelder, Gitternetze, radioaktive Strahlung, UV-Strahlen, kosmische Strahlung, Wasseradern, [und] Banker." zu sein. 7
Ein bisschen verstrahlt wirken außerdem seine abwertende Sichtweisen auf kritische Lokalpresse und seine Einschätzungen zur Corona-Pandemie. Dem Bürgerblick gegenüber bezeichnete er die Corona-Maßnahmen als Irrsinn, denn es gebe keine Gefahr. Die verstorbenen Infizierten wären seines Erachtens nach, „nach zwei Tagen so oder so gestorben.“ - Einen Preis den er zu zahlen offenbar gerne bereits ist, angesichts des Leides welches sein Kind scheinbar erleiden muss, welches „seit sechs Wochen keinen Fußballplatz mehr gesehen“ habe. 8
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Daniela Folkinger: Energetische Beraterin der Bewegung
Auch für Daniela Folkinger scheint der gemeinsame 7-jährigen Sohn die Hauptmotivation des Widerstandes zu sein, den es vor Zwangsimpfungen und den Traumata durch Social Distancing zu retten gelte. Die (ehemalige) Dozentin an der Pflegefachschule und Therapeutin für Selbstheilungskräfte erklärte im Gespräch mit der PNP, sie misstraue den veröffentlichten Darstellungen zur Corona-Thematik und verlässt sich statt auf Expert*innen lieber „auf ihren Verstand“. Dieser sagt ihr, dass „Corona vergleichbar sei mit Influenza-Wellen“ und Risiken in Kauf genommen werden müssen. Die Maßnahmen des Infektionsschutzes bewertet die Mittvierzigerin als so drastische Einschränkung der Freiheit, dass sie sich bereits in einem totalitären Regime wie der DDR gefangen sieht. 9
Die studierte Fremdsprachendolmetscherin praktiziert seit 2013 „als energetische Lebensberaterin mit Hilfe der Theta-Healing[-Methode]“10 und engagiert sich mittlerweile auch im Amt der Schriftführerin im neu gegründeten Verein MWGFD e.V. Die „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.“ beschreiben eine Initiative einer Hand voll Menschen aus dem Gesundheitsbereich, welche sich außerhalb des wissenschaftlichen Konsens zu COVID19 positionieren. Zu den Gründern gehört der Passauer Gynäkologe und Alternativmediziner Dr. Ronald Weikl und der bundesweit bekannte Held der Corona-Leugner-Bewegung, Prof. Sucharit Bhakdi. Bhakdi selbst ist zwar Facharzt für Infektionsepidemiologie, soll jedoch seit bald einer Dekade nicht mehr praktizieren und weiterhin nie mit Virologie-Forschung beschäftigt gewesen sein.
Daniela Folkinger engagiert sich regelmäßig auch als Rednerin auf den “Corona Rebellen”-Demos und referiert zu Themen rundum den “Corona Irrsinn” im Kontext von Kindern und Jugendlichen. Bei den Demos der "Freiheitsbewegung" vermisst die querdenkende Lehrerin vor allem das "junge Publikum". Am 06. Juni macht sie ihrer Entrüstung darüber in einer Ansprache an das Demovolk Luft und erklärt, es sei ihr "sauer aufgestoßen", dass so viele Jugendliche wenige Tage zuvor in Passau an einer "Black Lives Matter"-Demo teilgenommen hätten (Anm.: Dort war dem afro-amerikanischen George Floyd (Minneapolis, USA) gedacht worden, dessen brutaler Tod durch rassistisch motivierte Polizeigewalt weltweit für Entsetzen gesorgt hatte.). Folkinger zeigte sich wütend darüber, dass die jungen Menschen sich für "Black Lives Matter" einsetzten, den Demos der "Freiheitsbewegung" und den Protesten gegen den “Corona Irrsinn” sowie gegen die Impfexperimente [der Bill and Melinda Gates Foundation] in Indien und Afrika, jedoch fern blieben… und auch sonst nichts gegen “hungernde Kinder in Afrika” und Ausbeutung für Markenkleidung unternehmen. "Black lives matters", das sei ja logisch, dafür müsse man nicht auf die Straße gehen, pöbelt Folkinger vom Rednerpult, und weiter, dass sie den jungen Menschen, welche an der BLM-Mahnwache teilgenommen haben, folgendes mitteilen mitteilen möchte: "Ich bin enttäuscht von euch!". Mit dramatischer, sich überschlagender Stimme klagt die Berufsschuldozentin an, dass sie doch stark hoffe, dass keiner ihrer Schüler an der BLM-Demo teilgenommen habe, denn das habe sie ihnen nicht beigebracht - sie habe ihren Schülern beigebracht selbstständig zu denken [...] und nicht [an Protesten teilzunehmen], "nur weil es euch jemand befohlen hat".11 Wer den Befehl zur Teilnahme an der BLM-Mahnwache für die Opfer rassistischer Gewalt wenige Tage zuvor erteilt haben soll, bleibt wie so vieles, angedeutet aber letztlich unbeantwortet.
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Vivien Vogt: Stimme der Bewegung
Vivien Vogt kommt aus der Branche gesunder „Power Foods“ und arbeitete bereits für einen Smoothie-Laden und später als Managerin für ,mymuesli´ in München, bevor sie um 2015 nach Passau zog und ein Geschäft für Kokosblütenzucker gründete.12 Als „Kokosblütenfrau“ tourte Vogt bereits geschäftstüchtig durch die Lokalpresse wo sie ihre Produkt u.a. folgenderweise Bewirbt: "Ich war begeistert, wie ehrlich, schlicht und puristisch diese Leute in ihrer Enklave leben – mit den ewig gleichen Tagesabläufen. Die Männer klettern auf Kokospalmen und sammeln den Blütennektar. Dieser wird vom Rest der Familie aufgekocht, zerkleinert und gesiebt. „Auch wenn schon die Jüngsten mit dabei sind – es ist keine Kinderarbeit. Der Nachwuchs hilft halt überall mit.“13
Während Vogt die Einbindung von Kindern in die prekären Arbeitsverhältnisse der Kokosblütenbauern-Enklave im Form einer rassistischen Exotifizierung als ziemlich idyllisch auffasst, will sie die politischen Entwicklungen in Deutschland in den letzten Jahren zwar kritisch beobachtet aber „aus taktischen Gründen“ nie kommentiert haben. Dies habe sich nun schlagartig geändert, erklärt sie auf der Website der Bewegung selbstbewusst: „Fast muss ich dem momentanen Irrwitz der letzten Wochen dankbar sein. Es hat das Faß zum Überlaufen gebracht und mich auf den Plan gerufen, jetzt das Ruder in die Hand zu nehmen. Ich fühle mich nicht mehr als mündiger Bürger dieses Landes. Die Repressalien haben in der C.-Diktatur ihren Höhepunkt erreicht. Dem werde ich nicht tatenlos zusehen!“14
In einem Interview der PNP spricht sie für die Passauer Corona Rebellen und beschwert sich, dass durch die Konstruktion einer Pandemie und die Implementierung von Schutzmaßnahmen die Mündigkeit der Menschen ausgeschaltet worden sei. Vogt beklagt weiterhin, dass Schlüssel-Institutionen wie das Robert-Koch-Institut oder das Innenministerium keine ehrliche Fakten auf den Tisch legen.15 Die Details ihrer Interpretation zu den wahren Hintergründen der Corona-Krise bzw. Bill Gates tödlicher Corona-Verschwörung offenbart Vogt in dem bereits dargestellten Gedicht zu „Chronik des Wahnsinns“. Dies trug sie außerdem auf der dritten Passauer Corona Demo als Rednerin vor. Als Verschwörungsideologin möchte sie sich aber nicht diffamiert wissen, immerhin handle es sich bei ihrer Analyse um das Ergebnis der Reflexion der „wahren“ Fakten.
Vogts Forderungen nach „wahren Fakten“ statt staatlicher Manipulation, „transparentem Journalismus“ statt dem Festhalten der Mainstreammedien an der vorgegebenen Propagandalinie und „Meinungsfreiheit“ statt der Einigung auf einen, auf überprüfbaren Messwerten basierenden, Konsens als Entscheidungsgrundlage für verbindliche Maßnahmen in der Pandemie-Zeit, machen sie zum idealen Star des verschwörungstheoretischen, rechten YouTube-Kanals „Hallo Meinung!“.
In ihrer Rolle als Organisatorin und Gesicht der Passauer Corona-Demos empfahl Vivien Vogt in ihrer Ansprache an das Demopublikum am 30 Mai im Passauer Klostergarten, sich endlich über die „wahren Fakten“ zu informieren. Sie empfahl dafür das Corona-leugnende Lokalmagazin "Paparazzi" sowie die YouTube Kanäle der extrem rechten, ehemaligen Tagesschaumoderatorin Eva Herman und das YouTube-Format für den Widerstand von Rechts, „Hallo Meinung“ von Peter Weber. Ebendieser Peter Weber habe ihr dieser Tage bei einem Besuch versprochen, ein „Hallo Meinung“-Korrespondenzstudie für Niederbayern unter Vogts Leitung zu eröffnen. Anfang Juni veröffentlichten Vogt und Weber in einem gemeinsamen Video des Kanals den offiziellen “Startschuss” für die Zusammenarbeit und die Eröffnung des Passauer (Korrespondenz-)Studios. Auf dem YouTube-Kanal mit fast 35.000 Abonnent*innen soll Vogt sich wohl überregional als Stimme der Bewegung und Vorreiterin der Erwachten in die Reihe rechter „Expert*innen“ und Promis der Querfrontbewegung einreihen.
d) Daniel Kirchhoff: Entertainer der Bewegung
Etwas Glamour und Privatsender-Prominenz bringt der musikalische Unterhalter der Corona Rebellen, Daniel Kirchhoff ein. Der 30jährige aus Obernzell bei Passau, hatte erst kürzlich an der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ teilgenommen. Dort sorgte der Musiker mit dem Geständnis für Schlagzeilen wonach er nach einer längeren Karriere als Drogenkonsument von 2008-2011 eine Haftstrafe wegen Drogenhandels verbüßt haben soll. Inzwischen arbeitet er als selbständiger Handwerker.16 In einem NiederbayernTV-Beitrag über seine Person berichtet Kirchhoff im Februar 2020 davon, eine Ausbildung als Heilpraktiker zu absolvieren.17 Kirchhoffs Karriere als Castingshowteilnehmer endete mit seinem Rausschmiss durch DSDS-Mentor und Jurymitglied Xavier Naidoo nach einigen Folgen. Dennoch scheint Kirchhoff seinem Idol weiterhin mindestens ideologisch treu ergeben und auch an seiner Musikkarriere hält er weiterhin fest. So promotet Kirchhoff auf den Demos der Passauer Corona Rebellen regelmäßig sein neues Album und unterstützt die Veranstaltungen mit Musikbeiträgen. Doch Kirchhoff scheint auch inhaltlich voll hinter der „Bewegung“ zu stehen. Auf seiner Facebookseite teilt er Beiträge von Impfgegner*innen, wonach Impfstoffe Krebs, Haut-, Lungen-, Milz und Leberschäden verursachen, mobilisiert zu den Passauer Corona Rebellen-Demos und wirbt für um Mitglieder für die Corona-Leugner-Initiative „MWGFD e.V.“ in deren Vorstand Daniela Folkinger, Dr. Ronald Weikl aktiv sind. Kirchhoff teilt weiterhin gerne Videos und Beiträge seines ehemaligen Mentors Xavier Naidoo. Darin geht es beispielsweise um die Adrenochrome Verschwörungsideologie (Herrschereliten foltern Kinder und trinken ihr Blut) oder um Naidoos vermeintliche Rechercheerkenntnis, wonach es keinen Weltraum gebe (Flacherdentheorie). Kirchhoff selber nutzt offenbar einschlägige Quellen der Verschwörungsideologen und missversteht „Meinungsfreiheit“ als das Recht nicht hinterfragt zu werden: „Ich hab selbst geforscht und bin auf die Dinge gekommen. Auch wenn sie noch so unglaublich erscheinen mögen...Auch schade, dass man immer mit dem Begriff Verschwörer betitelt wird. Wo ist denn hier die Meinungsfreiheit? Jtz werden unzählige Kommentare kommen, von Menschen, die einfach nicht forschen, dann aber zetern... Klingt ja logisch“.18
Auch das Corona-Thema scheint bei Kirchhoff Fragen aufzuwerfen und Misstrauen gegenüber der offiziellen Darstellung wissenschaftlicher Thesen und Erkenntnisse zu wecken. Dabei scheint er die „Corona-Krise“ als nur ein Symptom eines größeren systematischen Verschleierungsplans der herrschenden Eliten zu erkennen. Anfang April reflektiert er auf seiner Facebookseite: „Nicht nur beim Corona virus, sondern bei fast allem, ergibt es bei genauerem Hinsehen keinen Sinn. Nachdenken, hinterfragen, recherchieren!“ (Daniel Kirchhoff Renovierung, 08.04.2020). Rund zwei Wochen später scheinen seine Internetrecherchen ihn befähigt zu haben den geheimen Plan hinter der Pandemie zu erkennen. Er prognostiziert unter dem Titel „Corona und wie es weitergeht!“ auf seiner Facebookseite ein Schreckenszenario von Zwangs-Chippung und Eugenik unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes:
„In der ersten Phase wird die Maskenpflicht für alle kommen. Damit wird getestet, wie weit sie mit der Bevölkerung gehen können. [...] Es werden zudem Bußgelder verhängt, um mit Zwang, jede Perverse Regelung durchzusetzen um die nächste Phase zu erreichen. Nachdem alle dem Diktat folgten und die Maske tragen, wird es die vorerst freiwillige Impfung geben. Jeder der sich nicht impfen lassen hat, wird vom öffentlichen Leben ausgeschlossen [...] Um visuell feststellen zu können wer geimpft wurde, werden die Geimpften eine Markierung erhalten, Eine Art Nano-Farbmarkierung wahlweise mit Chip, wer diese nicht vorweisen kann, wird das Land nicht verlassen dürfen. Die Entsprechenden Prüf/Lesegeräte sind bereits in der Produktion. Der Zwang mit Waffengewalt wird nicht notwendig sein, die Menschen werden sich um die Freiheiten wieder zu erlangen freiwillig Impfen und Chippen / Markieren lassen wie Vieh. Mit dieser Maßnahme werden Milliarden Menschen auf der Welt sterben, weil sie die giftigen Chemikalien nicht vertragen oder in Folge der Impfung unheilbar krank werden und ebenso sterben. [...] Jeder Maßnahme an der Ihr teilnimmt, egal ob Maskenpflicht oder Hausarrest, symbolisiert Unterwürfigkeit. [...] Ich vergaß: willkommen in der Diktatur!" 19
e) Martin Gabling (NPD): Tontechniker der Bewegung
Mit Martin Gabling engagiert sich ein Urgestein des organisierten Rechtsextremismus in Passau als Soundmaster und technischer Leiter im Kern-Orga-Team der Passauer Corona-Rebellen bzw. Freiheitsbewegung2020.
Gabling (*1962) ist/war jahrelange Kreisvorsitzender und Aktivist der NPD in Passau und bewarb sich im Wahlkreis Passau-Ost um einen Sitz im Landtag. Gemeinsam mit seinen NPD-Kameraden organisierte Gabling Infostände, Wahlveranstaltungen und andere rechtsextreme Events, anlässlich derer meist bundesweit bekannte Neonazis als Redner auftraten. Seine extrem enge Vernetzung in die bundesweite Neonaziszene zeigte sich beispielsweise auch bei Gablings Auftritt anlässlich der Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse in Passau (26. Juli 2008). Hochrangige NPD-Kader und Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet nahmen an der Zeremonie teil, welche rechtliche Konsequenzen nach sich zog, da eine verbotene SS-Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz mit dem Sarg bestattet wurde. Obwohl die lokalen NPD-Strukturen inzwischen weitestgehend auf Eis gelegt scheinen, tritt Gabling immer wieder mit Neonazistrukturen auf, wie z.B. mit einer Delegation des „Der III. Weg“ am Volkstrauertag 2017 auf dem Passauer Innstadtfriedhof.
Seit einigen Jahren zeigt Gabling sich weiterhin als einer der aktivsten Unterstützer der Germanischen Neuen Medizin (GNM) in Bayern. Der in Ruhstorf bei Passau lebende Neonazi bezeichnet sich gar als Studienkreisleiter für Germanische Neue Medizin® und hält als medizinischer Laie Vorträge wie Krebs - Krankheit der Seele. Mit anderen Personen zusammen unterhielt er eine Werbeseite für die Hamer-Lehre und einen Webshop für alternativmedizinische Utensilien. 20
2.3 Netzwerk der Bewegung: Referent*innen & Unterstützer*innen
Erklärtes Ziel der Passauer „Bewegung für die Freiheit 2020“ ist es, sich ein Netzwerk aufzubauen und mit möglichst vielen „kritischen Stimmen aus dem System“ und gleichgesinnten Initiativen/Organisationen gemeinsam eine schlagkräftige nationale Bewegung gegen das Handeln der Regierenden zu formen.
So werden auf der Website Menschen aus “systemrelevanten Bereichen” dazu aufgerufen, sich mit Redebeiträgen und Erlebnisberichten an den Demonstrationen der Corona-Rebellen zu beteiligen. Auch die Vernetzung mit den lokalen Initiativen anderer Städte, Corona-kritischen Medien und Expert*innen aus den Heilberufen wird laut Vivien Vogt vor allem durch sie selber forciert. Im Netzwerk der System-Rebellen bzw. der lokalen „Freiheitsbewegung“ finden sich neben den bereits benannten Akteur*innen inzwischen Alternativmediziner, die den wissenschaftlichen Konsens zu „Corona“ ablehnen, sowie „systemkritische“ Lokalmedien und YouTube-Journalisten der (rechten) Querfrontbewegung und schließlich Vertreter*innen der „Alternativwissenschaften“ (z.B. Ufologie), welche die Bewegung mit ihrer esoterische Expertise stützen.
a) Dr. Ronald Weikl: Naturheilmediziner der Bewegung
Der in Passau niedergelassene Naturheilmediziner und Gynäkologe, Dr. med. Ronald (Ronny) Weikl gilt als systemkritischer alternativ-denkender medizinischer Experte der illustren Rebellenrunde. In seiner Frauenarztpraxis bietet Weikl Naturheilverfahren als erste Behandlungsoption bei gynäkologischen Beschwerden und in der Schwangerschaftsbetreuung an, sowie Behandlungsverfahren der sog. „komplementäre Onkologie“, d.h. der biologischen Krebstherapie.21 An eine Gefahr durch das COVID19-Virus glaubt Weikl nicht, weshalb in seiner Praxis keine Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes Umsetzung finden.
Weikl hinterfragt die offizielle Darstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur COVID19-Pandemie und orientiert sich stattdessen an den Thesen ehemaligen Facharztes für für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Sucharit Bhakdi. Der inzwischen 73jährige Bhakdi ist zwar seit rund acht Jahren nicht mehr in der Forschung aktiv und hatte nie zum Themengebiet der Virologie gearbeitet, er ermaß jedoch die Harmlosigkeit des COVID19-Virus durch den Vergleich von die Todeszahlen durch die Grippe.
Gemeinsam mit dem, ihm persönlich bekannten, Bhakdi und fünfzehn weiteren Personen gründete der Passauer Natutheilmediziner die Initiative „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, e.V.“ (MWGFD e.V.) als deren stellvertretender Vorsitzender Weikl fungiert. Seine Passauer Co-Rebellin Daniela Folkinger ist Schriftführerin des neu gegründeten Vereins, der verrentete aber prominente Dr. Bhakdi bekleidet den Vorsitz. Zusammen bezeichnen sie sich als „Zusammenschluss von Medizinern gemeinsam mit Angehörigen unterschiedlicher Heil- und Pflegeberufe sowie im Bereich der Medizin tätiger Menschen und Wissenschaftlern, die sich in Forschung und Lehre mit den Themen Gesundheit, Freiheit und Demokratie beschäftigen.“ 22
Ihre Motivation für die Gründung lag nach eigener Aussage im „Erkennen von erheblichen Gefährdungen dieser schützenswerten Güter „Gesundheit“, „Freiheit“ und „Demokratie“ durch politische und damit verbundene gesellschaftliche Entwicklungen im Rahmen der Eindämmung der sog. „Corona- bzw. COVID-19 Pandemie“.“ 23
Auf seiner Website bewirbt der Verein Veranstaltungen und Aktionen zum Thema „Kritik an den Corona-Maßnahmen“ im gesamten Bundesgebiet mit dem Ziel den Aktionen Aufmerksamkeit und Teilnehmer*innenzahl zu verschaffen. Selber beteiligen sich die Mitglieder des Vereins als Expert*innen und Referent*innen solcher Querfrontdemos, wie beispielsweise in Passau oder als Gastreferenten in anderen Städten (Dr. Weikl in Regensburg am 30.05.2020) oder durch Auftritte in „alternativen“ bis rechten („freien“) Medien.
Eine klarstellender Einordnung der wissenschaftlichen Seriosität Vereins gelingt über die Rubrik „Aktuelles“. Hier sammelt der Verein Beiträge, welche ihre Kritik an der wissenschaftlichen Bewertung des Corona-Virus stützen sollen. Hier finden sich die üblichen Verrissberichte aus dem Boulevard, Querfrontblogs und Verschwörungstheorie-Foren. Beispiele:
Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch", "Prof. Stefan Homburg: Lockdown ist Zweck an sich geworden (QUERDENKEN 711 )", Die Überschätzung des tatsächlichen Anstiegs der Coronavirus-Neuinfektionen – Update", "Punkt.PRERADOVIC mit Prof. Dr. Sucharit Bhakdi – Impfung gegen Covid-19 sinnlos", "Streeck erwartet keine zweite „Corona-Welle“", "Die Verschwörungspraktiker", "Corona-Aktuell: Alles nur Verschwörungstheorie?", "Wird die Impfung wieder ein verdeckter Schachzug der Regierung? (Raphael Bonelli, Wien)", usw. 24
Die Affinität zu verschwörungstheoretischen Ansätzen bestätigte Dr. Weikl selber in seinem Redebeitrag auf der Demo der “Freiheitsbewegung” am 06.06. in Passau. Mit dem nachgeschobenen Zusatz, dass dies möglicherweise nur eine Verschwörungsthese sei, referierte er von dubiosen Machteliten (Milliardäre und Geheimbünde), welche mittels politischer Einflussnahme ihre Interessen zur Errichtung einer neuen Weltordnung (NWO) umsetzen sollen. 25
b) Jurij Sinenkov: Bodybuilder der Bewegung
Als regelmäßiger Referent der „Für die Freiheit 2020“-Demos betätigt sich inzwischen auch Jurij Sinenkov. Der russischstämmige Shopleiter eines Geschäfts für Sportnahrung in der Passauer Stadtgalerie, wird dabei (in differierenden Schreibweisen) auf der Bewegungs-Website in seiner Eigenschaft als „Freigeist und Sportenthusiast“ beworben.
Auf den Demos referiert Sinenkov gerne über die Motivation der „Corona Rebellen“, sich als „weltweite Bewegung [...] gegen die, von den korrupten Regimen verhängten Zwangsmaßmaßnahmen.“ zu wehren. Er sieht sich und die Mitglieder der Bewegung als Erwachte, welche sich der staatlichen Meinungsmanipulation bzw. Meinungsdiktatur nicht „wie Sklaven“ beugen wollen und deshalb verfolgt und bekämpft werden. 26
Auf seiner Facebookseite schreibt er ergänzend: „Sie verstehen nicht, warum wir auf die Straße gehen... Sie sagen "aber sie haben doch schon gelockert!"... Haben wir neben Separierung und Traumatisierung unserer Kinder, Maulkörben, baldigen indirektem Impfzwang, […] verfassungswidrigen schnell durchgepeitschten Gesetzen, psycho-sozialen Schäden durch Trennung der Familien, Pharmamafia-Einfluss auf die Politik und Doppelmoral sowie Lügen der Regierung nicht genug Gründe?“ 27
Eine Maßnahme des staatlichen Kampfes gegen die „Freiheitsbewegung“ erkennt Sinenkov in deren kontinuierlicher Diffamierung als Verschwörungsideolog*innen und als rechts(-offen). Vor allem mit Hilfe „der Antifa“ versuche der Staat, so seine Erklärung, die Rebellen in die rechte Ecke zu stellen und die Menschen gegen sie aufzubringen.
Sinenkov selbst scheint dabei überhaupt keine Berührungsängste zur extremen Rechten zu haben – wenn nicht sogar Überschneidungen. Während er als Teil der „Freiheitsbewegung 2020“ regelmäßig an der Seite von Martin Gabling (NPD) auftritt, und dabei selbst rechte Codes in Form eines Kettenanhängers zur Schau trägt, verortet er den Feind ganz klar „links“. Eine Kundgebung linker Aktivist*innen unter dem Motto „Gegen Antisemitismus und Verschwörungstheorien“ kundschaftete er gemeinsam mit einem Freund aus, um relevante Akteur*innen der Antifa ausfindig zu machen. Am Folgetag besuchte er mit ebenjenem Freund die „Motorradweihe gegen den Maulkorbzwang“ der AfD auf dem Passauer Domplatz. Dort wurde das Duo von AfD-Kreistagsmitglied Oskar Atzinger scheinbar vertraut und herzlich begrüßt. Antifaschistische Gegendemonstrant*innen hingegen, wurden von dem, sich etwas abseits haltenden Duo, mit einer Regenschirmstange angegangen.
Noch deutlicher wird Sinenkovs Haltung bei Betrachtung seines privaten Umfelds. Auf seiner Facebookseite findet sich ein Bild, welches ihn und bereits aufgeführten Freund, vor einigen Monaten in Mitten ihrer Männer-Clique zeigen. Neben Sinenkov ist dabei als Teil des siebenköpfigen Freundeskreises der Neonazi Paul Oehme abgelichtet.
Der in Passau lebende Dynamo-Hooligan, Oehme, zeigt sich in seinen Facebookaktivitäten auch über das entsprechende Foto hinaus als, dem sportbegeisterten Sinenkov, nahestehend und freundschaftlich verbunden. Es scheint realitätsfremd anzunehmen, dass die extrem rechte Verortung Oehmes dem Demoreferenten Sinenkov unbekannt ist. Immerhin hatten Paul Oehme und seine Hooligan-Truppe in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrfach bundesweit Diskussionen rundum Rechtsextremismus im Fußball entfacht. Dies etwa, nachdem sie sich vor einem Länderspiel der EM 2016 in Frankreich mit einer (Reichskriegs-)Flagge und Hitlergrüßen ablichten ließen. Auch im September 2017 zeigt sich Oehme bei einem Freundschaftsspiel der Deutschen Nationalmannschaft in Prag sehr aktiv in Mitten eines Blocks von etwa 200 Deutschen Fans, aus dem heraus es zu „Sieg Heil“-Rufen und NS-Parolen kam. Auch im Anschluss an das Spiel sollen die Deutschen Fans pöbelnd und teilweise Hitlergruß-zeigend durch Kneipen gezogen sein – Medien berichteten auch hier bundesweit von der „Schande von Prag“.
Ähnliche Szenen scheinen sich in Passau im März 2018 abgespielt zu haben, als die Geburtstagsparty Oehmes in der Passauer Innstadt um kurz nach Mitternacht eskalierte. Der Dynamo-Fan und seine (wohl überwiegend aus Gleichgesinnten bestehende) Partygesellschaft zündeten Feuerwerke und Bengalo-Feuer und zog Hooligan-Gesänge skandierend, sowie mit einer Fahne mit der Aufschrift „Dynamo Dresden West" ausgestattet, in die Altstadt. Ein paar Stunden später kam es dort aus der Gruppe von 15-20 Dresdner Hooligans heraus zu einer Gewalteskalation vor einer Diskothek. In Folge dieser musste ein 23-Jähriger Clubbesucher nach Schlägen und Tritten mit Verdacht auf Schädel- und Kieferbruch ins Klinikum Passau eingeliefert werden. 28
Angesichts seiner Nähe zu Parteifunktionären der organisierten Rechten (NPD, AfD) und freundschaftlichen Verbindungen zu gewalttätigen Neonazis und Hooligans – oder auch organisierten „Freigeistern und Sportenthusiasten“ der rechten Fanszene - dürfte Sinenkovs Verortung „in der rechten Ecke“ wohl mehr als nur unbelegte Diffamierungsstrategie regimehöriger Kräfte sein. Welchen Mehrwert sich die “Freiheitsbewegung 2020” von dem Bodybuilder und seinem Umfeld martialisch anmutender, teils rechter Sportfreunde verspricht, bleibt offen.
c) „Hallo Meinung!“: YouTube-Kanal der Bewegung
Als Organisatorin der Passauer Corona-Demos empfahl Vivien Vogt in ihre Ansprache an das Demopublikum am 30.05.2020 im Passauer Klostergarten sich abseits der meinungsmonopolistischen Mainstreammedien mittels alternativer Berichterstattung „freier“ Medien zu informieren. Als Tipp für Liebhaber alternativer Fakten zu Thema „Corona“ benannte sie u.a. das Lokalmagazin "Paparazzi" und den YouTube-Kanal, „Hallo Meinung!“, dessen Korrespondenzstudio-Leitung für Niederbayern ihr in Aussicht gestellt worden sein soll.
Das neue Medium für den rechten Widerstand, „Hallo Meinung!“, wird vom 65-Jährigen Peter Weber aus Schwarzenbruck im Nürnberger Land betrieben. Der Bauunternehmer, als Ankerman augemacht spricht in den Videos des YouTube-Formats von einer „Meinungsdiktatur dieser linken Politik“, von „Medienzensur“, ruft zum Kampf auf: „Das gewinnen wir nicht mit Abwarten, Skepsis und mit den Nörglern. Ich bitte euch, macht mit!“ und bezeichnet sein Projekt selbst als „Interessensvertretung Bürgerforum“. Für seine „Speakers Corner“ für rechte Wutbürger lässt er seine Zuschauer*innen mittels eingesandter Texte und Videos zu Wort kommen. Diese bedienen nach einer Analyse von Ubermedia die klassisch rechten Themen zu Geflüchteten und Migranten, die linksgrünversiffte Hegemonie, die bedrohte Meinungsfreiheit der Rechten usw. Zur Ergänzung seiner „Hallo Meinung“-Redaktion heuerte Weber bereits prominente Köpfe und Vordenker*innen der rechten bis verschwörungsideologischen Querfront-Bewegung an. Darunter die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, den früheren Russland-Korrespondenten des „Focus“, Boris Reitschuster, und den ehemaligen Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe. 29
Am 07. Juni stellt sich Vogt in einer Video-Ankündigung des Kanals “Hallo Meinung!” als Initiatorin von "Für die Freiheit 2020" aus Passau vor. Da sie der Ansicht sei, dass in diesem Land einiges verkehrt laufe und sie viele gemeinsame Synergien mit dem Format "Hallo Meinung" sehe, verkünde sie nun heute den Startschuss für Studio-Eröffnung in Passau. Dieses werde in Zusammenarbeit mit Peter Weber und unter dem Namen "Hallo Meinung" laufen, Vogt sei jedoch in ihrer Arbeit allein verantwortlich für das Korrespondenzstudio. Vivien habe bereits Räumlichkeiten, erklärt Peter Weber in dem Video, ihr fehle jedoch noch ein Filmteam, der Schnitt laufe jedoch über ihn. Auch dringend gesucht sind systemkritische Protagonist*innen als Interviewpartner*innen zu Themen (auch) unabhängig von "Corona" um das Studio in Passau zu ergänzen. 30
Mit der angekündigten Einbindung Vogts würden jedoch nicht zum ersten Mal Vertreter*innen der Passauer Corona-Rebellen die redaktionellen Beiträge des YouTube-Kanals der rechten Widerstandsbewegung ergänzen. Vor Kurzem bekannte sich bereits ein AfD-naher „Sicherheitsexperte“ und ehemaliger Chef des Thüringer Landeskriminalamtes bei einem Auftritt im Format „Hallo Meinung!“ als Teil der Passauer „Corona-Rebellen“. Im Interview mit Peter Weber gab der, inzwischen im Landkreis Passau lebende, Uwe Kranz seine Einschätzung zur Corona-Situation zum Besten. Der heute Anfang 70-jährige war Anfang der 1990er Jahre erster Leiter des Landeskriminalamtes und später Präsident der Behörde. Der antisemitische YouTuber Ken Jebsen (KenFM) bewirbt ein Interview mit Kranz gar mit dem Satz „Kranz leitete das LKA in Thüringen als die NSU noch existierte [...]“. Im Jahr 1997 wurde Kranz als LKA Präsident wegen Verstrickungen von Polizei und Rotlicht-Szene vom Dienst suspendiert und von seinem Amt entbunden. 31
In den vergangenen Jahren betätigte sich Kranz zunehmend als „Sicherheitsexperte“ für die AfD (darunter die für die extrem rechte AfD Brandenburg um Andreas Kalbitz) und referierte in diesem Kontext vor allem zum wenig überraschenden Thema "Bedrohung durch islamischen Terrorismus". Auch für den rechten YouTube-Kanal „KenFM“ sprach er über dieses Thema, und nutzte dafür die „Freiheit des Ruhestands“, da er „endlich kein Blatt mehr vor den Mund nehmen [müsse]. Müssen deshalb, da er, als er noch im Dienst war, das was er mitbekam, gar nicht uneingeschränkt an die Öffentlichkeit weitergeben durfte.“ (2016).32 Kranz‘ neustes Steckenpferd scheint der Kampf gegen die „Corona Diktatur“ und „für Freiheitsrechte“ zu sein. In einem Gespräch mit Peter Weber auf dessen YouToube-Kanal fordert Uwe G. Kranz „einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss um die schlimmen Versäumnisse der Bundesregierung in der Coronakrise aufzuklären“.33
Im Interview beschwert sich der mindestens rechtsoffene ehemalige LKA-Beamte weiterhin darüber, dass die „Corona Rebellen“ von der vermeintlich linken Presse der PNP als "Verschwörer" diffamiert würden. Er selber habe an der an der Demo der „Corona-Rebellen“ gegen die „Corona Diktatur“ am Samstag den 09. Mai 2020 in Passau teilgenommen. Die Passauer Demonstrant*innen, welche sich (an die erlaubte Maximalanzahl der Teilnehmenden haltend) unter dem Motto "Leave no one Behind" gegen Antisemitismus und Verschwörungsideologie und für Solidarität mit den Betroffenen und Opfern der Pandemie aussprachen, beschimpft Kranz als "kleine Menge gröhlender Linksfaschisten". Weiterhin beklagt sich Kranz über die vermeintlich falsche Behauptung der PNP, die Demo der Corona Rebellen sei von Impfgegner*innen geprägt gewesen. Diesen scheint Kranz nichts abgewinnen zu können. Eine erstaunliche Haltung, war doch der Kampf gegen vermeintliche Zwangsimpfungen durch die Impfpflicht einer der Kerninhalte der Passauer „Corona Rebellen“-Demo.
d) PAparazzi: Lifestylemagazin der Bewegung
Das ebenfalls von Rebellen-Führerin Vivien Vogt empfohlene ostbayerische Lifestylemagazin PAparazzi ergänzt das Netzwerk der Corona Rebellen um ein Medium der Passauer Lokalpresse.
Dessen Chefredakteur Matthias Müller fiel schon öfter durch grenzwertige bis rassistische „systemkritische“ Leitartikel in dem werbefinanzierten Blatt auf. Das als Hochglanz-Lifestylemagazin beworbene Projekt der Passauer Marketingagentur, Custommedia Verlag GmbH, publiziert im Mai ein 19-seitiges Manifest der Corona-Verschwörungsthesen.34 Unter dem Titel "Die Angststrategie" in der Ausgabe 140/Mai 2020 geht der Autor Matthias Müller direkt zu Beginn in die Vollen. Er zeichnet ein Bild in dem suggeriert wird, die Covid-19 Pandemie würde nicht existieren, der Shutdown und die ihn begleitenden Medienberichte seien ein "nie dagewesener Terroranschlag" auf die Gesellschaft und im Vergleich zu einer normalen Grippewelle sei, so wörtlich "Covid-19 sogar ein äußerst schwacher Erreger".
Wissenschaftliche Erkenntnisse wie die der Arbeit des RKI und den Zahlen der WHO seien, so Müller, ebenso wie die Bundesregierung und die sogenannten "Mainstreammedien" an einer "beispiellosen Kampagne der Desinformation, Täuschung, Dramatisierung und Verschleierung" beteiligt. Man wolle Panik verbreiten, so die Aussage. Von "skrupellos frisierten Todeszahlen" und einigen wenigen "Mächtigen dieser Erde", welche die Bevölkerung "auf perfide Weise" als Spielball benutzen ist die Rede. Mit dem Artikel und der „systemkritischen“ Haltung des Paparazzi-Redakteurs wissen die Passauer Corona-Rebellen nun auf jeden Fall ein Lokalmedium auf ihrer Seite welches dem Netzwerk noch gute Dienste erweisen kann. Die Printausgabe der PAparazzi erscheint jeden Monat in einer Auflage von 20.000 Exemplaren und ist kostenlos in den regionalen POS des Einzelhandels, Arztpraxen, Zeitschriftenhandel, Fitnessstudios, Hotels und Gastronomie erhältlich.
e) Cosmic Society: Parawissenschaftlicher Stammtisch der Bewegung
Ein engagiertes und aktives Mitglied der Telegramgruppe, über welche die sich Passauer Bewegung organisier sowie regelmäßige Teilnehmerin an den Demos mit vertrauter Nähe zu den Organisator*innen, zeigt sich Steffi Steinecker.
Steinecker lebt in Passau und ist Mitbegründerin des Netzwerks „Cosmic Society“, eine Art Vereinigung von Anhängern der „Parawissenschaften“ aus dem Bereich der Esoterik, Ufologie und anderen alternativ-wissenschaftlichen Weltanschauungen. Für die Cosmic Society organisiert Steinecker Seminare zum Thema „Telepathie mit extraterrestrischen und innerirdischen Lebensformen“ oder (gemeinsam mit ihrem Kollegen Gerhard Praher) „Telepathie – die Sprache des Universums“, wo sie darin unterrichtet, sich „ohne ein Wort auszusprechen [zu] verständigen [mit] Engel, Tiere, Pflanzen, Mineralien und Verstorbene – unabhängig von Zeit und Raum. Wir nennen es Telepathie.“ 35
Das Themenspektrum der „Cosmic Society“ umspannt nach eigenen Angaben einen schier unerschöpflichen Bogen von „A wie Außerirdische und Archäologie bis Z wie Zeitenwende“.36 Der Unvernunft sind keine Limits gesetzt und so bewirbt die Website Veranstaltungen wie Stammtische, Seminare, Workshops und Vorträge zu Alchemie, Ufologie/Ufosichtungen, Vollmond-Trommeln, „Atlantis - Ewige Legende“, „Die Geheime Gesellschaft der Freimaurer“, oder eben Telepathischer Kommunikation mit Engeln und Innererde. Im Veranstaltungskalender 2020 wird weiterhin einer kostenpflichtige Veranstaltung am 20.06.2020 (10:00 - 18:00 Uhr) beworben. Unter dem Titel „Der Seelenplan - Was unser Schicksal bestimmt?“ bietet ausgerechnet die altbekannte Corona-Rebellin Daniela Folkinger aus Thannberg ihre Dienste als Lifecoach feil.37
Steineckers Perspektive auf das Corona-Virus ist beispielsweise einem Beitrag auf ihrer Facebookseite zu entnehmen, in welchem es heißt:
„Wenn man nach Sheldrake geht, handelt es sich bei dem Virus „nur“ um ein morphisches Feld, eine energetische Struktur, die Gedankenmuster formt, welche sich, falls sie als wahr angenommen wird, dann als materielle Struktur mit all ihren Auswirkungen auf die emotionale und physische Welt der relativen, individuellen Wahrnehmung manifestieren kann. Mit anderen Worten: es ist nur eine Idee, mit der jedes menschliche, individuelle Bewusstsein in Resonanz gehen kann. Ob und wie dann physische Realität daraus wird, hängt nur davon ab, ob die Idee angenommen und weiter verfolgt wird. […] Das ist einer der Gründe, weshalb es sich trotz, oder eigentlich eher WEGEN der ganzen Maßnahmen dagegen hartnäckig in der Aufmerksamkeit hält und sogar munter weiter ausbreitet. [...]“.38
In Passau treffen sich die Anhängerinnen solch esoterischer Parawissenschaften monatlich zum „Zeitenwende-Stammtisch“. Das Event mit wechselnden Themen wird von Steffi Steinecker, Markus Jachs und Gerhard Praher organisiert. Referiert und diskutiert werden dort laut Ankündigung Themen wie extraterrestrische Lebensformen, Teleportation und die „innere Erde“.
Eine ernsthafte Abgrenzung der esoterischen und verschwörungsideologischen Einstellungen zu völkischem Denken, Antisemitismus und Sexismus bleibt bei Steineckers Zeitenwende-Stammtisch leider aus. So war beispielsweise 24.10.2018 Gerhard Laib als Referent zum Stammtisch geladen. Dieser gibt selbst an Anhänger der russischen Anastasia-Bewegung zu sein und sich seit 2014 vor allem auf „das Wedische“ zu konzentrieren. Die Ideen der Anastasia-Bewegung stammen aus einer Buchreihe von Wladimir Megre und sind geprägt von Antisemitismus, völkischem Denken und Rassismus. Seit längerem verbreitet sich diese Bewegung auch im deutschsprachigen Raum und organisiert Festivals, Vorträge und Seminare, um ihre Ideologie zu verbreiten. Aus der Anastasia-Bewegung entstanden auch die LAIS-Schulen (als Heimunterricht getarnte Lerngruppen), die vor allem in Österreich unter Staatsverweigerern immer populärer werden und bereits Kinder und Jugendliche zu Esoterik und Verschwörungstheorie erziehen sollen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch das Thema „Neue Lernmethoden“, dass auf den Stammtischen diskutiert wird, als nicht mehr so unproblematisch. Am Stammtisch am 25.10.2017 war als Redner auch der bekennende Rechtsextreme Wjatscheslaw Seewald (damals in Deggendorf lebend) zum Zeitenwende-Stammtisch eingeladen.39 Zumindest eine fehlende Distanz zur organisierten Rechten kann man Steffi Steinecker unterstellen, die als Besucherin der "AfD Motorradweihe gegen den Maulkorbzwang" am 17. Mai auf dem Domplatz gesichtet wurde.
Die breite Auswahl der Themen und Referent*innen zeigt die starke Vernetzung der Passauer Esoterikbewegung über die Region und jede thematische Einschränkung hinaus. Erlaubt ist, was nicht Mainstream ist, geglaubt wird, was die klassische Wissenschaft ablehnt. Ein praktischer und vielleicht sogar wirtschaftlich vorteilhafter Zug also, die Vertreter*innen der Alternativ-Wissenschaften als verschwörungsideologische Expert*innen ins Netzwerk der Passauer Freiheitsbewegung einzubinden.
2.3 Demobesucher*innen: Spektrum der Bewegung
a. Quantitative Einordnung
Die Anzahl der Corona-Demo-Besucher*innen steigerte von Woche zu Woche zunächst von ca. 70 auf ca. 300 und stagniert nun seit einigen Wochen bei 350-400 Teilnehmer*innen. In der Telegramgruppe über die sich die Bewegung austauscht und organisiert finden sich ca. 200 Mitglieder. Obwohl auch in diversen anderen Städten Niederbayerns Aktionen von Corona Rebellen stattfinden liegt Passau mit dieser Teilnehmerzahl deutlich vorn und ist quantitativ mit Städten wie Regensburg vergleichbar. Zu den Demos reisen Menschen aus der gesamten Region an. Gemessen an der Anzahl der Einwohner*innen von Passau Stadt [ca. 52.000] und Landkreis [ca. 192.000] scheint der Anteil derer, die die Infektionsschutzmaßnahmen als Bedrohung oder Entrechtung begreifen, jedoch relativ gering. Ihr Mobilisierungspotential scheint angesichts der stagnierenden Teilnehmer*innenzahlen vorerst erschöpft.
b. Inhaltliche Einordnung: Positionen und einender Nenner der Bewegung
Auf dem Demos der Corona-Rebellen findet sich ein sozio-demographisch gemischt anmutendes Publikum, bestehend aus Paaren, Familien und Einzelpersonen aller Altersgruppen, welche optisch eher dem Spektrum der bürgerlichen Mitte zugehörig scheinen. Der Großteil der Teilnehmenden ist zudem eher in der Altersgruppe 35+ zu verorten. Merkmale von Szenezugehörigkeit, politischen Lagern, Parteien oder subkulturelle Szenestyles werden nicht offen zur Schau gestellt. Insgesamt finden sich nur wenige auffällige Gestalten oder bekannte Akteur*innen. Das Publikum scheint sich überwiegend aus Menschen aus der (vermeintlichen) “Mitte” der Gesellschaft, darunter besonders solchen mit Affinität zu „alternativen“ Weltanschauungen z. B. Alternativmedizin oder Mainstreamkritik und solchen, die scheinbar nicht zu den Gewinnern des Systems gehören, zu generieren.
Ihnen gemein ist eine empfundene Unzufriedenheit, welcher sie Ausdruck verleihen wollen. Dem Gefühl sich in ihrer Unzufriedenheit mit den einschränkenden Corona-Maßnahmen fortlaufend ignoriert (unterdrückt) zu fühlen, wird hier eine Plattform geboten, welche ihnen suggeriert dort Akzeptanz und Verständnis (ein Angenommen-Sein in ihrem Unglück) zu finden. Die Demo-Orga und insbesondere Vivien Vogt inszeniert sich als „Underdog“, die als heroische Kämpferin für die Interessen und Anliegen der Rebellen eintritt (und endlich mal aufräumt hier im System) und den Menschen endlich Gerechtigkeit zuführen wird. Durch das Narrativ der „Bewegung“ (Freiheitsbewegung, für gute Sachen und gegen Schlechte) wird den Mitgliedern bzw. Teilnehmenden suggeriert, Teil von etwas Großem, Wichtigen sein zu können. Die während der Demos zur Schau gestellten Codes und vorgetragenen Erklärungskonzepte offerieren den Teilnehmer*innen die Möglichkeit ihr abstraktes und ohnmächtiges Unwohlsein in der Krisensituation auszudrücken und zu benennen.
Insgesamt stellt nur ein kleiner Teil der jeweils mehreren hundert Demobesucher*innen seine Forderungen und Positionen mehr oder minder offen oder plakativ zur Schau. Dies vor allem in Form von Plakaten/Schildern oder beschrifteten T-Shirts. Immer wieder stechen dabei Forderungen nach „Impffreiheit“ bzw. gegen den „Impfzwang/Zwangsimpfungen“ ins Auge. Besonders drastisch wirkte hier der gelbe Davidstern mit der Inschrift „ungeimpft“ als Anspielung darauf, dass Impfgegner*innen heute der selben Verfolgung unterliegen würden wie Juden/Jüdinnen in der NS-Zeit. Schilder und Shirts mit dem Slogan „Wo Unrecht zur Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ rufen dazu auf, sich gegen die Infektionsschutzmaßnahmen der Regierung aufzulehnen. Konkretisiert wird dies durch Schilder und Rufe wie „Masken runter!“. Schildersprüche wie „Wir sind das Volk“ oder auf T-Shirts gemalte Begriffe wie „Demokratie!“, „Grundgesetz“ oder „Grundrechte bewahren“ richten sich gegen die vermeintlich grundrechtsbeschneidenden Maßnahmen der Regierung oder eine (also solche empfundene) Entrechtung der Bürger bis hin zur Implementierung eines totalitären Regierungssystems unter dem Vorwand eines Pandemieplans. Das Schild am Redner*innenpult mit dem Aufdruck „Freiheit-Freiheit-Freiheit“, schließt daran an. Einzelne Besucher*innen symbolisieren mit Codes und Chiffren, wie z.B. einem „Q“ auf dem Schild oder der Kleidung ihre Zugehörigkeit zur antisemitischen, rechten „Qanon“-Verschwörungsbewegung. Andere zeigen mit Hilfe von Fahnen wie der Reichsflagge ihre Verortung als Reichsbürger und ihren Protest gegen die vermeintliche „BRD GmbH“. Mittels US- und Russlandflaggen bekennen sich Teilnehmende dazu, dass der Verschwörungstheorie des „Deep-State“ (Verschwörungstheorie einer Schattenregierung) anhängen und die Führer der freien Welt, Trump und Putin, unterstützen.
Weitere beliebte und immer wieder zur Schau gestellte Codes offenbaren einen weit verbreiteten Glauben an verschwörungsideologische Thesen wonach Bill Gates und die WHO planen mittels gesetzlich aufgezwungener, tödlicher Impfungen oder Chippen der Menschen eine neue Weltordnung (New World Order/NWO) zu erreichen. Slogans wie „Anti-NWO“, „Gib Gates Keine Chance“ und „Keine Zwangsimpfungen/Kein Chippen“ zeigen die Anhänger*innenschaft dieser verschwörungstheoretischen Erklärungskonzepte. Damit positionieren sich die Besucher*innen der Demos in etwa übereinstimmend mit verschwörungsideologischen Inhalten und Statements der Mitglieder der Telegramgruppe „Corona Rebellen Passau“.
3. Ideologie und Forderungen der Bewegungen
3.1 Einender Nenner der Bewegung & Spektrum der Positionen
Das vom Orga-Team der “Passauer Brwegung für die Freiheit” als "Meinungspluralismus" beschriebene Spektrum an Motiven des Protests und Positionierungen der Demoteilnehmer*innen, haben mindestens einen kleinsten gemeinsamen Nenner: Man richtet sich gegen (so empfundene) staatliche Bevormundung und Maßnahmen der (so empfundenen) Unterdrückung und Entrechtung. Dieses Motiv kann sich verschieden ausprägen:
Punktuelle Maßnahmenkritik: Protest gegen befürchteten Impfzwang durch Impf-Gesetz des Bundesregierung
Allgemeine Pandemieplankritik: Protest gegen den Pandemieplan/Infektionsschutzmaßnahmen der Regierung in einzelnen Teilen (z.B. gegen Mundschutzpflicht) oder im Gesamten, bedingt durch Annahme einzelne oder alle Maßnahmen seien als Infektionsschutz nutzlos oder sogar mangels real existierender Gesundheitsgefährdung gänzlich unnötig.
Protest zur Bewahrung der Grund- und Freiheitsrechte: Die Zuspitzung der allgemeinen Kritik am Pandemieplan der Regierung und die grundlegende Ablehnung der Infektionsschutzmaßnahmen endet zwangsläufig in der Argumentation/Überzeugung, dass kein Gesundheitsrisiko und womöglich kein Corona-Virus existieren. Die Ablehnung des Glaubens an die Existenz eines hochinfektiösen Virus mit teils gefährlichem oder tödlichem Krankheitsverlauf führt unweigerlich zu der Schlussfolgerung, dass die einschneidenden Infektionsschutzmaßnahmen/-verordnungen der Regierung eine grundlos erzwungene und somit illegitime Beschneidung grundlegender Freiheitsrechte seien.
Protest zur Bewahrung der Demokratie/Widerstand gegen die Diktatur: Dort wo die schleichende Entrechtung als bewusstes Konzept (und nicht etwa als Nebeneffekt von Fehlentscheidungen) der Regierung verstanden wird, droht aus Sicht der Protestierenden die geplante und bewusst forcierte Abschaffung demokratischer Grundrechte und des demokratischen Systems. Als Folge der geplanten Entrechtung der Bürger, droht aus Sicht der Rebellen, zwangsläufig die (von der Masse unbemerkte) Implementierung eines totalitären Regierungssystems bzw. einer Diktatur.
Widerstand gegen Bill Gates „Neue Weltordnung“: Wer glaubt, dass die demokratisch gewählten Repräsentanten des Volkes, also die Regierung die Corona-Krise als Vorwand nutzt um ein totalitäres Unterdrückungssystems bzw. einen Diktatur zu errichten muss sich zwangsläufig die Frage stellen, wieso teils verfeindete Regierungen und Politische Führer*innen weltweit sich, gemeinsam mit der Masse der Expert*innen, Medien usw., zeitgleich und unter dem selben erfundenen Vorwand gegen die eigene Bevölkerung, ja letztlich sich selbst, richten sollten.
Hier greift als Erklärungskonzept die Verschwörungsideologie bzw. Annahme, das über allem eine übergeordnete Instanz bzw. eine alles lenkenden Schattenmacht steht, welche die politischen Führungsmächte ihren Interessen gemäß lenkt. Die politischen Verantwortlichen, Institutionen und Organisationen sind folglich entweder fremdgesteuert wie Marionetten oder gar willfahrige Helfer*innen der Schattenmächte und mitwissende Profiteure der Verschwörung.
Im Kontext der Corona-Pandemie hat sich offenbar jene verschwörungsideologische Erzählung durchgesetzt, wonach Bill Gates die WHO und somit die Deutungshoheit über das Virus lenkt und damit die Regierungen der Welt steuert. Sein dahinter liegendes Geheimziel, so lassen auch die Passauer Corona Rebellen auf der Website fuerdiefreiheit2020.org verlauten, sei es durch Zwangsimpfungen/-chippen die Kontrolle über unser Bewusstsein übernehmen und/oder die Erdbevölkerung zu dezimieren um im Sinne der Eugenik eine Neue Weltordnung zu schaffen. Die Menschen und regierenden Politikerinnen bezeichnete Vivien Vogt auch z.B. in ihrer Ansprache am 30.05 als „Marionetten“ welche sich endlich befreien müssten. Ihr Protest wird somit zugleich als eine Art Notwehr gegen die geheimen Pläne transnational operierender Herrschereliten und ihrer Bestrebungen, mittels Versklavung oder tödlicher Dezimierung der Menschheit eine neuen Weltordnung (NWO) zu errichten, begriffen.
3.2 Codes der Bewegung
In harmlose Codes verpackt drücken die Passauer Corona-Rebellen bzw. der führende Kern der “Passauer Bewegung Für die Freiheit 2020“ auf der Website ihr eigentliches Anliegen aus. In den Kontext ihrer Weltanschauung gebettet, definieren sich ihre schwammig und abstrakt gehaltenen #Codes im praktischen Hashtagformat, sehr klar:
Die Corona Rebellen fordern das Recht, sich unabhängig der Manipulation durch den medial/öffentlich vermittelten Expert*innen-Konsens (“vorgegebene Einheitsmeinung”) und den darauf basierenden Regierungsentscheidungen/-vorgaben (“Zwangsmaßnahmen”) verhalten zu dürfen, da die politisch beschlossenen und verordneten Maßnahmen der Regierung letztlich allein der Umsetzung der Interessen und geheimen Pläne der Schattenmächte dienen, welche die Regierung, Medien und Wissenschaft lenken. Sie fordern das Recht, sich unabhängig vom der Manipulation durch einen, von Staat und Mainstreammedien vorgebenen, Meinungskonsens informieren zu dürfen, um die staatlichen/gesetzlichen Vorgaben als Maßnahmen der Schattenmächte identifizieren zu können (#transparenter Journalismus #Aufklärung #Coronauntersuchungsausschuss). Sie möchten sich frei von Zwang durch Sanktionen, selbständig entscheiden (#Eigenverantwortung #Mündigkeit) dürfen, sich den staatlich/offiziell als „richtig“ definierten Maßnahmen (#Impffreiheit) nicht zu beugen. Sie möchten, dass der politische/öffentliche/wissenschaftliche Konsens nicht als Grundlage für die Entscheidung von staatlichen Maßnahmen dienen, welche am Ende alle Menschen gleichermaßen betreffen. Stattdessen soll der politische/öffentliche/wissenschaftliche Konsens („Corona existiert“) als nur eine, neben vielen alternativen („Corona existiert nicht“) aber gleich gewichteten Meinungen wiegen (#Meinungspluralismus). Die Ausrichtung kollektiv verbindlicher Maßnahmenverordnungen auf Basis eines dominanten Meinungskonsens (“Meinungsvorgabe”) betrachten die Corona-Rebellen als Diskriminierung/Unterdrückung von alternativen Meinungen (#Meinungsfreiheit) und als Unterwerfung aller unter das Meinungsdiktat der Regierung (#Grundrecht). Ausgehend von der Idee, dass die gewählten Repräsentanten des Volkes, also die Regierung, selber nur Marionette einer höheren Schattenmacht ist, fordern die Corona Rebellen basisdemokratische Mitspracherechte (#Basisdemokratie) anstatt sich ohnmächtig den Regierungsentscheidungen einiger weniger gelenkter/kontrollierter Regierungspolitiker*innen (“Eliten”) beugen zu müssen.
3.3 Rhetorik der Bewegung
Der Corona-Bezug der „Freiheitsbewegung“ ist instrumenteller Natur. So soll die Corona-Krise zwar Anlass ihrer Formation und Ausdruck des Unterdrückungsbestrebens sein, gegen das sich die Freiheitsbewegung stellt, die Bewegung möchte sich jedoch von der eingeschränkten Perspektive der Corona-Thematik lösen. Die Bewegung strebt ganz grundlegend „die Befreiung“ der Bürger von der Kontrolle und Manipulation des Herrschenden des Systems an und sieht sich im Widerstand gegen die Maßnahmen ihrer geplanten schleichenden Entrechtung. Über die aktuell dominierende Corona-Thematik hinaus, so die „Bewegung für die Freiheit 2020“ sollen Menschen aus dem treudoofen Schlafschaf-Dasein „aufwachen“ und sich erheben, bevor sie wie arglose Lämmer auf die Schlachtbank geführt werden.
Die Menschen aufzuwecken ist Teil der Mission der Bewegung. Dies soll gelingen durch Erzählungen und Redebeiträge der Bewegung, welche Introspektiven aus systemrelevanten Berufen liefern und den Menschen (welche durch den medialen Mainstream im Unwissen gehalten werden) die Augen für die systematisch bestehenden Mängel des Systems öffnen. Die sonst unterdrückten und zensierten Stimmen des Systems sind daher aufgerufen sich über die Demo-Website der Bewegung zu melden.
Als solche Expert*innen mit Einblick in systemrelevante Bereiche referieren regelmäßig Vivien Vogt (als Geschäftsfrau und “Erwachte”), Daniela Folkinger (als Mutter), eine Christl [?] (als Mutter eines Sohnes mit Behinderung) sowie (jeweils einmalig), Dr. Weikl (als Mediziner und Initiativengründer), Sigena Fischer (Heilpraktikerin für Psychotherapie & ex-Lehrerin) und Jurij Sinenkov (Freigeist & Sportenthusiast).
Sigena Fischer, die 52-jährige ehemalige Lehrerin, welche laut Vivien Vogt die Demo um ihre pädagogische Perspektive auf die Folgen der Abstandsregeln bereichern sollte, praktiziert seit einigen Jahren als Heilpraktikerin für Psychotherapie. Auf ihrer Website gibt sie an, zusätzlich Ausbildungen zur zertifizierten Organetikerin [Organetik = Bioresonanztherapie, Chakrenausgleich, Wasseraufbereitung], zur Organo Feng Shui Beraterin, zur Astrologie für Organetiker und zum Schamanismus absolviert zu haben.40 In Ihrem Redebeitrag am 23.05. gibt Sigena Fischer Beobachtungen zum besten, die nicht sie selbst gemacht, sondern ihr eine befreundete Lehrerin zugetragen hat. Auch Fischer malt minutenlang ein Bild des Schreckens über mögliche Spätfolgen, welche Kinder durch die Wochen des Social Distancing, erleiden werden müssen. Dies schließt an die Perspektive an, welche sie auch auf ihrer (geschäftilichen) Facebookseite „Gesundheitswerkstatt Über-Brücken Sigena Fischer“ teilt. In Beiträgen und YouTube-Videos mit den bezeichnenden Titelbeschreibungen: „Seid ihr eigentlich noch zu retten? Das Geschäft mit der Panikmache! Wenn es nach Medien und Politik geht, steht die Menschheit kurz vor der Selbstvernichtung. [...]“41 sowie „Corona-Wahrheit die keiner sehen darf von Coach Cecil – von YouTube gelöscht! Herunterladen, teilen!“42 oder Petitionen gegen „Zwangsimpfungen in Deutschland“43, warnt sie vor den dramatischen Folgen der, vermeintlich rein wirtschaftlich begründeten, Corona-Panikmache. Auf ihrer privaten Facebookseite werden sogar noch deutlichere Worte gefunden: „Ärzte, Wissenschaftler, Professoren, ja sogar Bischöfe leisten Widerstand gegen die diktierten Corona-Zwangsmaßnahmen; […] Eliten haben das Volk unterschätzt | Zwischenbilanz Corona-Diktatur | Aufwachen 2020.”44 Im Redebeitrag der Demo (23.05.2020) rät sie dem Demopublikum abschließend, sich durch positive Gedanken bzw. einen wachen Verstand vor einer Virusinfektion zu schützen und kritisch zu prüfen, ob die eigenen Gedanken gesteuert werden.45
Die Rhetorik der Referent*innen der Bewegung, während sie ihre, meist wenig analytischen persönlichen Erlebnisberichte, wie Tagebucheinträge zum Besten geben, ist geprägt von Skandalisierung, Dramatisierung und Hörensagen. Maßnahmen des Social Distancing werden mit Begriffen wie „Strafe, Überwachung, Einsperren“ beschrieben, relativ alltägliche Erlebnisse mit aus fachlichem Unverständnis heraus zum krassen Skandal (Wie kann es sein, dass der Corona-Test einmal positiv und einmal negativ ausfällt???) stilisiert und Prognosen unvorstellbaren Dramas formuliert (Die Abstandsregelungen in der Schule führen bei unseren Kindern zu irreversiblen Traumata die ein normales Leben dauerhaft verunmöglichen) und besonders tragische Einzelschicksale als symptomatisch für die schlechten Absichten der Regierungspolitik dargestellt. Interessanter Weise stammen viele Berichte der “Expert*innen” mit Introspektive in systemrelevante Bereiche aus zweiter Hand oder vom Hörensagen. Verweise wie, “Eine Freundin hat mir erzählt” oder “Als ich neulich im Restaurant war, hab ich dort gehört, dass...”, leiten die Erzählungen immer wieder ein.
Die in den Beiträgen geäußerte Kritik an den Infektionsschutzbestimmungen der Regierung erweist sich letztlich immer nur dann als haltbar, wenn davon ausgegangen wird, dass tatsächlich dass keine reale Gefährdung durch das COVID19-Virus vorliegt und weiter, dass die (Schutz-)Maßnahmen bewusst zum Schaden der Menschen eingeführt worden sind.
Die Frage ob „Corona“ existiert wird dafür zur bloßen Meinungsfrage umgedeutet und nicht etwa als eine Behauptung verstanden welche wissenschaftlicher Prüfungskriterien und Belegen bedarf. Ist der Glaube an die Existenz des Virus jedoch eine bloße Meinung, kann diese nicht mehr wiegen als die Meinung, dass das Virus nicht existiert und jede Verpflichtung zu Schutzmaßnahmen impliziert die Unterdrückung und Beschneidung der (gleichwertigen) Meinung, wonach das Virus nicht existiert und die Maßnahmen sinnlos sind.
Konkrete Forderungen oder Lösungsansätze, als die, das Leugnen der Existenz des Virus als gleichberechtigte Meinung und Entscheidungsgrundlage zu legitimieren (“Meinungsfreiheit”/ ”Mündigkeit”/ ”Eigenverantwortung”), bleiben fast immer aus. Stattdessen fordert Vivien Vogt im Anschluss an die Redebeiträge, durchs Mikrofon plärrend, dass sie endlich wieder „selber denken dürfen“ wollen und, dass überhaupt alle endlich „selber denken“ sollten und "erwachen" und die Realität "endlich zu erkennen" und sich "befreien", um keine Marionette mehr sein zu müssen (Vivien Vogt, 30.05.2020). Von was, wem und wieso und welche Veränderung dies bewirken soll, bleibt am Rednerpult in der Regel unausgesprochen, ebenso wie eine Konkretisierung des Leidensdrucks (vermeintliche Gedankenkontrolle) von dem sich befreit werden soll.
Weitere Denkmuster der Beweisführung der Bewegung scheinen sich entlang folgender Faustregeln zu orientieren:
Prinzip 1: Was Alle wissen kann nur falsch sein, was Wenige wissen ist vermutlich richtig, weil es nur deshalb wenige wissen, weil es von den Mächtigen verschwiegen und zensiert wird (Beweis durch nicht-Beweisbarkeit)
Prinzip 2: Tragische Situationen und große persönliche Entbehrungen können nicht als unvermeidbare Schicksalsschläge, Kollateralschäden alternativloser Maßnahmen oder gar als Zufall hingenommen werden, sondern sind das Ergebnis eines perfiden größeren Plans bzw. koordinierten Angriffs (Pandemie ist nicht etwa eine Naturgewalt, gegen die es keine Konzepte gibt, außer entbehrungsreicher Quarantäne und Social Distancing, sondern ein kontrollierter Plan der Schattenmächte)
Prinzip 3: Ohnmacht und Alternativlosigkeit werden den Menschen nur eingeredet und vorgespielt, dabei ist gerade noch Zeit in den Widerstand zu gehen und das Steuer herumzureissen (Empowerment in der Ausweglosigkeit)
4. Halbherzige Abgrenzungsversuche und aggressive Legitimation
4.1 Umgang und Einbindung der organisierten extremen Rechten
Die Demoorganisatorin Vivien Vogt verkündete Mitte Mai in der Passauer neuen Presse man werde "linke und rechte Extremisten" von den Demonstrationen ausschließen.46 Eine Abgrenzung zur AfD und ihren Vertreter*innen als Demoteilnehmer*innen war jedoch nicht erkennbar. Auch wurde kein offizielles Statement zum Ausschluss der Beteiligung von AfD, NPD oder anderen Organisationen der extremen Rechten verfasst.
Bei der ersten Demo mit ca. 70 Rebellen war die AfD Passau mit ca. 5 Leuten (als Privatpersonen) vertreten, bei der zweiten Demo mit ca. 300 Rebellen nahm die AfD mit einer Delegation von ca. 6-7 Personen rund um den Landtagsabgeordneten Ralf Stadler und weiteren Funktionären, mehr oder minder offiziell (mit Logo auf der Kleidung usw.) teil. Bei dieser Gelegenheit soll die AfD-Veranstaltung „Motorradweihe gegen Maulkorbzwang“ für den Folgetag (an der etwa 11 AfD-Sympathiesanten teilnahmen) offiziell beworben worden sein. Auch Martin Gabling von der Passauer NPD mischte bei dieser zweiten Corona-Rebellen-Demo unter den Teilnehmer*innen im Klostergarten mit. Bei der dritten Rebellen-Demo auf dem Dultplatz war die AfD nur mit wenigen Privatpersonen vertreten. Martin Gabling (NPD) trat hier bereits als Teil der Demo-Orga-Quartetts und Ton- und Bühnentechniker der Rebellen auf. Die vierte Demo der Corona-Rebellen fand wieder im Klostergarten und ohne AfD-Beteiligung statt, da die Partei beinahe zeitgleich ihre eigene Demo gegen die „Corona Diktatur“ abhielt. Die Beteiligung der AfD bei den Passauer Corona Rebellen beschränkt sich momentan auf die Teilnahme einige ihrer Sympathiesant*innen und Mitglieder als Privatpersonen an den Demos. An der Demo am 6. Juni nahm außerdem der AfD-Kreistagsabgeordnete Oskar Atzinger an den Protesten teil. Atzinger, der seit Jahrzehnten als Kommunalpolitiker extrem rechter Parteien bis in die neonazistische Rechte gut vernetzt ist, zeigte sich bei dieser Gelegenheit sogar im fröhlichen Plausch mit Martin Gabling im Orga-Zelt der Demo. Die organisatorische Einbindung der NPD in Person Gablings in das Kern-Orga-Team der Bewegung dauert folglich weiterhin an. Spätestens mit der Einbindung des Neonazis Gabling in das Kernteam der Demoorganisation, dürfte klar sein, dass eine Distanzierung von Akteur*innen der extremen Rechten seitens der “Passauer Freiheitsbewegung” nicht zu erwarten ist.
Im Gegensatz dazu scheint man in der Demo-Orga relativ von Beginn an beschlossen zu haben, dass der Feind links steht - "die Antifa" (vermutlich als Synonym für die radikale Linke) erklärte Vogt von der Bewegung ausgeschlossen.
4.2 Rezeption und Abgrenzung zu kontroversen Inhalten
Die Zurschaustellung problematischer Inhalte mit Bezug zu menschenfeindlichen, rassistischen, sexistischen oder antisemitischen Einstellungen und Ideologien scheint für die Passauer Bewegung überhaupt kein Problem sondern willkommener Ausdruck des Protests „Erwachter“ zu sein. Codifizierte ideologische Anspielungen wie das Anti-NWO-Shirt des Referenten oder das Schild- „Gib Gates keine Chance“ (erste Demo) oder die Teilnehmerin mit dem "ungeimpft"-Davidstern (zweite Demo) wurden nicht ausgeschlossen oder ob der Symbolik ermahnt. Zwei Teilnehmenden mit Reichsfahne (dritte Demo) hingegen, wurden nach etwa einer halben Stunde von den Demoordner*innen gebeten das Gelände zu verlassen. In Folge wurde auf der Website der Bewegung verkündet, dass „Keine Fahnen“ mitgebracht werden sollten. Möglicherweise soll dies den Hinweis implizieren, auf die Zurschaustellung von Partei-/Organisations-Zugehörigkeit zu verzichten. Mit der Mitgliedschaft in hochproblematischen bis rechtsextremen Strukturen oder dem Propagieren solcher Ideologien, hat das Demo-Orga-Team, wohl auch aus Eigenbetroffenheit heraus, keine Probleme.
Einer Abgrenzung nach rechts wurde seitens der Bewegungs-Anführer*innen bereits früh eine Absage erteilt. Nach den Prinzipien "keine Spaltung!" und "Meinungspluralismus“ werden sämtliche Inhalte kritiklos zugelassen, welche das gemeinsame Ziel (Systemsturz) stützen. Kritik an den Inhalten oder repräsentierten Ideologien wird systematisch als "Diskreditierungsversuch!" und „Diffamierung“ abgeschmettert. Ein Teil der Palette antisemitischer codierter Verschwörungsideologien rundum Bill Gates, QAnon usw. wird von der Demo-Orga sogar selber vertreten und propagiert und als immanenter Teil der Passauer „Bewegung für die Freiheit“ benannt.
Erklärter Feind der Corona Rebellen sind neben allen ihren Kritiker*innen (meist undifferenziert zusammengefasst und gelabelt als “die Antifa”) vor auch die Medien, im Speziellen die Lokalmedien. Von diesen fühlt sich die Bewegung in der Berichterstattung missverstanden, in ihren Anliegen diskreditiert und mittels Begriffen wie konotierten Begriffsbezeichnungen wie z. B. „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert. Doch auch dafür haben die “Corona Rebellen” die perfekte Erklärung parat: Mainstreammedien und “die Antifa” (der scheinbar so ziemlich jede/r Kritiker*in pauschal zugeordnet wird) sind die gesteuerten Werkzeuge des Staates zum Niederschlagen der Bewegung. Der als „Freigeist und Sportenthusiast“ betitelte Experte, Jurij Sinenkov, erklärt dazu am 23.05 auf der Demo der Freiheitsbewegung, dass nun die Zeit sei in der jeder Geschichte selbst schreiben könne, denn es habe sich eine „weltweite Bewegung entwickelt gegen die, von den korrupten Regierune verhängten Zwangsmaßmaßnahmen.“ Mit Hilfe der Antifa versuche der, von der Freiheitsbewegung zunehmend verängstigte Staat die Spaltung der Menschen in „links und rechts“ weiter zu betreiben, was jedoch nicht funktioniere. Er, Sinencov, wende sich in seiner Ansprache explizit an die, die „uns in den Medien und Sozialen Netzwerken verunglimpfen“ und führt trotzig aus: „Wenn ihr uns als rechtsextrem bezeichnet, weil wir für die Menschenwürde, Menschenrechte und die Grundrechte Aller einstehen und alle Menschen auf der Welt glücklich und frei in ihrer Selbstentfaltung leben können, ohne sinnlosen Zwang durch den Staat, dann sind wir gerne rechtsextrem.“ Und weiter: „Ihr nennt uns Verschwörungstheoretiker, weil wir klar eine Verbindung zur Bill & Melinda Gates Stiftung, zur WHO, zur Pharmaindustrie und den Medien aufzeigen können... dann sind wir auch gerne Verschwörungstheoretiker und verdammt stolz drauf.“ Sinencov malt weiterhin ein Bild wonach sie, die kritischen Denker*innen der Freiheitsbewegung, „verfolgt [werden] weil sie nicht die eine, als ,richtig‘ vom Staat vorgegeben Meinung in dieser Demokratie-Simulation vertreten..“. Die sei „eine Meinungsdiktatur“. Er schließt seine Ansprache an das Volk mit der dramatischen Analyse: „Kinder wachsen in Angst auf, wenn sie die Bundesbürger in Sklavenhaltung gebückt und mit Maulkorb herumlaufen sehen.“47
Sinencovs durchaus offene Haltung zur extremen Rechten und die Übernahme der kruden Rhetorik welche einem sonst im neonazistischen Spektrum begegnet dürfte kein Zufall sein. Der “sportenthusiastische Freigeist” ist immer wieder beim vertrauten Stelldichein und freundschaftlichen Begrüßungsritualen mit dem ehemaligen REP und heutigen AfD-Kreistagsabgeordneten Oskar Atzinger zu beobachten. Sinencov besuchte außerdem die AfD-”Motorradweihe gegen den Maulkorbzwang” am Passauer Domplatz am 10. Mai, wohingegen Oskar Atzinger sich am 06.06 beim Orga-Team der Corona Rebellen-Demo in Passau anbiederte.
In der Telegramgruppe der Passauer Rebellen wird sogar noch konkreter gemutmaßt und Strategien des Selbstschutzes diskutiert. Am 03. Mai schreibt ein Mitglied: "[...] Die Regierung hat uns selbst mit den Demos im Griff, sie ist uns immer einen Schritt voraus. Sie planen und beraten tagtäglich, sie wissen durch umfragen was uns wichtig ist und wovor wir Angst haben. Nichts passiert zufällig. Weil es ihre Aufgabe ist Ziele (NWO, Digitalisierung, Massenkontrolle usw) umzusetzen. Wenn die kritische Masse zu laut oder zu viele wird gibt es ja verschiedene Organisationen die sich die Finger schmutzig machen können (Antifa). [Der Vorwurf von, Anm.] Rassismus und Antisemitismus ist auch noch allgegemwärtig (wobei ich glaube das diese Schiene nicht funktioniert hat.)” [alle Fehler im Original].
Es zeigt sich, dass die Rebellen auch konkrete Vorwürfe oder die Problematisierung konkreter Inhalte offenbar völlig an sich abprallen lassen. Mit dem Verweis auf einen akzeptierenden Meinungspluralismus und der völlig sinnentleerten Floskel, man sei "weder links noch rechts sondern für Freiheit" wird stattdessen das Bild einer unabhängigen, politisch ausgerichteten aber lagerübergreifenden, nationalen Bewegung gezeichnet, welche sich (auch losgelöst vom Corona-Thema) aus der Mitte der Gesellschaft heraus gegen das diktatorische Unterdrückungsregime der Herrschenden und für die Bewahrung demokratischer Grundrechte einsetzt. Im Kampf gegen die Schattenmacht scheint eben jedes Mittel legitim.
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