Antifaschistischer Jahresrückblick 2018 - Teil 1: Der AfD Kreisverband Passau im Jahr 2018

Veröffentlicht am Sa., 05/04/2019 - 13:00

Das Jahr 2018 war in Bayern aus antifaschistischer Perspektive geprägt vom Landtagswahlkampf, sowie den Landes- und Bundesparteitagen der AfD. In der Region Passau waren im vergangenen Jahr neben der AfD auch die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“, sowie die immer stärker werdende extrem rechte Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf aktiv.
Im Folgenden soll in fünf Teilen ein kurzer und nicht vollständiger Überblick über die Aktivitäten der extremen Rechten in der Region Passau gegeben, und darauf folgend der Versuch eines Ausblicks auf 2019 gewagt werden. Neben den diversen rechten Aktivitäten wird auch ein Blick auf die zahlreichen antifaschistischen Aktionen geworfen, die es im letzten Jahr gab und die durchaus auch zu einigen beachtlichen Erfolgen geführt haben.
Die allermeisten hier genannten Termine finden sich in der Chronik des Antifaschistischen Infotickers oder in einem der Artikel auf der Website. Sofern weiterführende Artikel vorhanden sind, werden diese in den Fußnoten verlinkt.

Jahresrückblick 2018

Teil I:   Die AfD Passau

Teil II:  Die B! Markomannia

Teil III: Der III. Weg

Teil IV: Die NPD in Passau und Region

Teil V: Linke und Antifaschistische Aktionen

Teil VI:  Ausblick auf das Jahr 2019

 

Die Alternative für Deutschland im Jahr 2018

Der AfD Kreisverband Passau ist selbst in der Partei seit jeher im extrem rechten „Flügel“ um Björn Höcke angesiedelt. Dementsprechend gestalteten sich in den vergangen Jahren auch dessen inhaltliche Positionen, mit denen der Kreisverband jedoch überwiegen online über seine Facebookseite auftrat. Lokalpolitische Themen oder öffentliche Auftritte waren abseits des Bundestagswahlkampfs 2017 Rarität. Dies änderte sich im Jahre 2018 angesichts des bayerischen Landtagswahlkampfs. Bereits Anfang 2018   lancierte der, bis dahin noch nur regional wegen seiner rassistischen Ausfälle bekannte Kreisverbandsvorsitzende Ralf Stadler, mit Ausblick auf den Wahlkampf eine medial höchst erfolgreiche und moralisch höchst fragwürdigen Kampagne. Die Skandalisierung und verzerrte Inszenierung seines gescheiterten Versuchs die lokalen Tafel-Vereine durch eine Spende von 600 Dosensuppen zu instrumentalisieren und so die Partei im Kontext sozialer Themen zu bewerben, bescherte ihm immerhin wochenlang bundesweite Medienaufmerksamkeit.1
Extrem Rechter FundimarschDas erste AfD-Großevent des Jahres 2018 in Niederbayern bezeichnet der „Politische Aschermittwoch“ in Osterhofen am 14. Februar, anlässlich dessen sich einige hundert AfD-Sympathisant*innen und der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen sowie der bayerische Landesvorsitzende Martin Sichert einfanden.  Ähnlich fulminant hatten die örtlichen AfD-Kreisverbände wohl ihren Auftritt des niederbayerischen AfD-Starkbierfestes mit Martin Sichert und anderen Prominenten in Deggendorf geplant. Dies fand jedoch nach angekündigten Protesten, spontan und konspirativ organisiert, im Nebenraum des griechischen Restaurant Alexander in Plattling2,  statt. Die geplante Kandidatenvorstellung der niederbayerischen Kreisverbände fand im kleinen Kreis statt. Ebenfalls als Totalausfall erwies sich eine von der Deggendorfer AfD beworbene Fußwallfahrt (Fronleichnamsprozession ) der Christen in der AfD zur Marienkapelle Mettenbruch am 31.05  (Deggendorf/Metten)3. Zu dieser erschienen außer Katrin Ebner-Steiner nicht einmal die lokalen AfD-Funktionäre. Nach der Phase der Wahlkampfvorbereitung und dem Landesparteitag in Nürnberg (09.06) auf dem sich die Bayerische AfD wegen interner Zerrissenheit darauf einigte auf die Wahl eines Spitzenkandidaten zu verzichten, fand am 16.06.2018 der Wahlkampfauftakt der AfD Passau mit MdB Beatrix von Storch des AfD Landesvorsitzenden Petr Bystron in Eging am See (Kurparkgastronomie Döttl/Therme Eging) statt.
In den folgenden Monaten organisiert der AfD Kreisverband Passau diverse Veranstaltungen im Passauer Landkreis. Die Vorträge und Stammtische fanden häufig in abgelegenen, kleinen  Imbisslokalen oder bei Events mit hochrangigen Parteifunktionären, in der Gastronomie der Sonnentherme in Eging am See statt. Die teils mit prominenten Referenten (überwiegend Bundestagsabgeordnete der AfD, darunter Meuthen, von Storch und Weidel) beworbenen Events führten jedoch vielerorts zu Gegenwehr und der Organisation von Gegenprotesten (19.09: AfD Passau-Veranstaltung mit Jörg-Meuthen (Eging am See in die Sonnentherme/Gastronomie Döttl, ebenfalls 19.09: AfD Veranstaltung mit Beatrix von Storch in Osterhofen - knapp 400 Menschen setzten ein Zeichen gegen die AfD-Veranstaltung – Infoticker Chronik September 2018.4 Zahlreiche geplante Veranstaltungen mussten mangels erfolgreicher Raumsuche oder Absagen seitens der Wirte und Raumeigentümer*innen, nachdem sie von der Reservierung erfahren hatten, kurzfristig abgesagt oder verlegt werden.5 Eine für den 13.10.2017 geplante Wahlkampfabschlusskundgebung mit Alexander Gauland musste gar ersatzlos gestrichen werden, nachdem die AfD, die sich wegen  angekündigtem Gegenprotest in einer geschlossenen Räumlichkeit treffen wollte, nach eigenen Angaben rund 30 Raumabsagen von Wirten erhalten hatte.6
Neben massiven Onlineaktivitäten und hochfrequenten Presseaussendungen, die von der lokalen PNP überwiegend vollumfänglich und ohne jede kritische Kommentierung übernommen wurden begegnete man den Kandidaten der AfD Passau Ost (Ralf Stadler, Robert Schregle) an ca. 20 Wahlkampfinfostände im Passauer Landkreis7. Die AfD-Kandidaten des Stimmkreises Passau Welt, Angelika Eibl und Oskar Atzinger hingegen, schienen auf Wahlkampfmaßnahmen außerhalb der Kreisverbandsveranstaltungen und öffentlichen Plakatierung zu verzichten. Auch im Passauer Stadtgebiet sah die AfD offensichtlich kaum Erfolgschancen. Neben vereinzelter Plakatierung fielen Stadler und Schregle durch zwei AfD-Infostände (Ludwigsplatz, 22.08, 10.10) auf, die sie jedoch beide Male nach negativen Passantenfeedback nach etwa einer halben Stunde abbrachen.
Infostand der AfD im Raum PassauInhaltlich orientierten sich die Passauer AfDler am Wahlprogramm, auf das man sich auf dem Landesparteitag in Nürnberg geeinigt hatte. Das politische Programm der bayerischen AfD war gekennzeichnet durch Autoritarismus, Antifeminismus und Rassismus, inhaltliche Forderungen fanden sich darin jedoch kaum.8 Es verwundert also wenig, dass auch die Passauer AfD mit den Landtagskandidaten Ralf Stadler und Oskar Atzinger (ehem. Republikaner) und den Bezirkstagskandidaten Angelika Eibl und Robert Schregle in ihrem Wahlkampf vor allem auf rassistisch inszenierte und interpretierte Themen, verschwörungstheoretische Erklärungsansätze und Forderungen nach Law & Order-Politik gegen Geflüchtete und politische Gegner*innen setzten. Dabei übertrat man häufig mittels Tabubrüchen und Skandalisierung die Grenze politischen Anstands9 und in einigen Fällen auch die Grenze dessen, was juristisch noch erlaubt ist. Robert Schregle handelte sich beispielsweise gleich zwei Mal juristischen Ärger ein: Einmal wegen des Teilens des „Chemnitzer Haftbefehls“ und zum Zweiten wegen der erpresserisch anmutenden Bedrohung des CSU-Politikers Franz Meyer.10  Auch der Landtagskandidat Ralf Stadler scheint des öfteren Angezeigt worden zu sein, auf Facebook lässt er verlauten: „Schon wieder eine Anzeige wegen Volksverhetzung. Langsam wird’s Langweilig“. Ralf Stadlers prahlerisch anmutende, teils mehrmals wöchentlich publizierten Selfies, mittels derer man sich von seinem unermüdlichen Einsatz für die nationalistischen Belange überzeugen sollte, brachten die Landespartei jedoch noch öfter in die Bredouille: Die Facebook-Postings des Passauer Landtagskandidaten in denen er sich damit brütete wöchentlich hunderte Gratis-Exemplare des „Deutschland Kurier“ verteilt zu haben brachten Wind in die Causa rund um illegale AfD-Parteienfinanzierung durch den „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“. Durch diese kostenlose Wahlwerbung könnte der AfD-Kreisverband Passau gegen das Parteienfinanzierungsgesetz verstoßen haben. Stadler selbst gab gegenüber dem BR-Magazin Kontrovers an, die Exemplare vom AfD-Bezirksbüro gratis erhalten zu haben, was der Bezirksvorstand jedoch dementierte, man habe den Deutschland-Kurier nicht erhalten und es gäbe auch kein AfD-Bezirksbüro. Viele der Ladenbereiber*innen bei denen Stadler den Deutschland-Kurier ausgelegt hatte gaben an, davon nichts gewusst zu haben und diesen schnellstmöglich entfernt zu haben.11
Bei der Landtagswahl am 14.10 lag die AfD in der Region, trotz des nur mäßig erfolgreich verlaufenen Wahlkampfs, mit 13,5% (Passau Ost) und 14,1% (Passau West) zwar erneut über dem bayernweiten Durchschnitt, konnte die extrem hohen Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 aber nicht halten - in Niederbayern verlor die Partei in jeder Gemeinde im Vergleich zum Vorjahr Stimmen 1213. Dennoch schaffte es Ralf Stadler (Passau Ost) als Abgeordneter in den bayerischen Landtag und Angelika Eibl14 und Robert Schregle (Passau Ost) als Bezirksrat*in in den Niederbayerischen Bezirkstag.
Im November, kurz nach der Konstitution des Landtags und der AfD-Landtagsfraktion, wurde bekannt, dass der neue MdL Ralf Stadler, wenig überraschend, kennt man seinen vor Rassismus, Hass auf Geflüchtete, Muslim*innen und seine politischen Gegner*innen strotzenden Facebook-Account15, zu den drei Landtagsabgeordneten gehört, welche vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wurden.16 Gleiches gilt, wie im Dezember publik wurde, mit aller Wahrscheinlichkeit auch für den Passauer AfD-Bezirksrat Robert Schregle.17 Nach Ende des Wahlkampfes und mit dem Einzug ins Landtagsparlament scheinen die Ressourcen der AfDler*innen erstmal ausgeschöpft, in den Folgemonaten finden kaum noch Veranstaltungen des Kreisverbands statt. Einzige Ausnahme ist die Gründung des Stammtisch „Freundeskreis der politischen Diskussion“ in Windorf, durch Angelika Eibl.18 Selbst die AfD Weihnachtsfeier wurde im Geheimen organisiert und fand erneut im Schwimmbadrestaurant des AfD-solidarischen Wirts im Eging am See statt (21.12). Die geplante Einrichtung eines AfD (Bürger-)Büros bzw. Wahlkreisbüros durch MdL Ralf Stadler (Mitglied des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) in Passau19  scheint nach aktuellem Stand geplatzt zu sein und auch der Bezug der Landtagsbüros in München sowie die Anstellung von Fraktions-Mitarbeitern gestalteten sich Ende des Jahres noch ergebnislos.
AntisemitismusAfDDass drei der aktivsten Mitglieder des Passauer Kreisverbandes nun Funktionen als Abgeordnete innehaben, dürfte die Arbeit der Passauer AfD deutlich verändern. Einerseits stehen nun deutlich mehr institutionelle und finanzielle Mittel zur Verfügung, andererseits beansprucht die parlamentarische Arbeit auch Zeit. Insbesondere im EU-Wahlkampf wird sich zeigen, wie der AfD Kreisverband damit umgeht und, ob es der AfD gelingt, ihre rassistische Politik durch ein lokales Partei-Büro und die Beschäftigung von Mitarbeitern weiter zu institutionalisieren. Der Kampf der AfD für eine völkisch-nationalistische Gesellschaft wurde jedoch endgültig von den Straßen und Facebookseiten in die Parlamente getragen. Dort lassen Distanzierungen von den „demokratisch gewählten“ Rechtsextremen missen: Die AfD Mandatsträger (MdL Stadler, Bezirksrätin Eibl und Bezirksrat Schregle) erhalten durch ihre neuen Rollen Zugang zu politischen und gesellschaftlichen Events aller Art (Neujahrsempfängen der Stadt und diverser Verbände, Abgeordneten-Treff „Passauer Runde“, usw.), wo sie trotz ihrer bekannt rechtsextremen Einstellung offensichtlich ausreichend hofiert werden um sich (wie sie oft genug durch die AfDler*innen auf Facebook publizierten) wohlwollend aufgenommen und legitimiert fühlen. Besonders makaber mutet dies bei Auftritten auf Veranstaltungen an, die der politischen Ausrichtung der extrem rechten Parlamentarier diametral entgegen stehen: So beispielsweise Ralf Stadlers Erscheinen beim Holocaustgedenkens am 9.11 am Passauer Holocaustdenkmal am Inn, nachdem bekannt war, dass er wegen seiner Solidarisierung mit der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck im Fokus des Verfassungsschutzes3 stand und die Einladung Angelika Eibels durch den Passauer Bürgermeister zum  Holocaustgedenken im Auersberg-Gymnasium (Freudenhain) am 27.01.2019 – trotz des kurz zuvor medial mit Entsetzen wahrgenommenen Boykotts zahlreicher AfD-Abgeordneter (darunter Stadler) während des Holocaustgedenkens im bayerischen Landtag (23.01) und Stadlers unerträglicher Facebook-Hetze gegen die Holocaustüberlebende, Charlotte Knobloch.20 Eine Distanzierung zu den Rechtsextremen finden nicht mehr offen statt. Man agiert jetzt öffentlich auf Augenhöhe. Als besonders überdenkenswert sollte dies empfunden werden, betrachtet man den erneuten Ruck nach rechts und das Bekenntnis zur Kooperation mit der extremen bis neonazistischen Rechten, werlche der Passauer AfD Kreisverband mit der Wahl des neuen Vorstand im Januar 2019 vollzogen hat: Der Schulterschluss mit Akteuren der extremen Rechten ist somit endgültig offiziell.21