Rechtskatholizismus in Passau - Überblick über Akteur*innen, Verbindungen und Ideologien

Veröffentlicht am Mo., 06/01/2020 - 10:52
Stadler (AfD) mit Priester bei seiner Motorrad-Weihe

1. Einleitung

2. „40 Tage für das Leben Passau“ und ihr Organisator, AfD-Kreistagsmitglied Andreas Eimannsberger

3. Piusbruderschaft und ihre Anhänger*innen in der AfD Passau (Monika und Andreas Meißner)

4. Rechtskatholische Akteur*innen an der Universität Passau
  4.1 Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig
  4.2 „Pro Life Passau“-Hochschulgruppe
  4.3 Katholische Studentenverbindung Oeno-Danubia

5. Bischof Stefan Oster (Bistum Passau) und der „Marsch für das Leben“

6. Fazit

 

 

1. Einleitung

Der Artikel soll einen Überblick über Verbindungen und Ideologien aktuell relevanter rechtskatholischer Akteur*innen in Passau geben. So unterschiedlich die hier aufgelisteten Akteur*innen und ihre ideologischen Schwerpunkte sein mögen, sie alle eint der Katholizismus mit Hang zu rechten bzw. antiemanzipatorischen Positionen. Die Auflistung ist nicht als eine Gleichsetzung der verschiedenen Akteur*innen von der extremen Rechten bis ins rechtskonservative Milieu misszuverstehen. In den einzelnen Abschnitten wird vielmehr auf die spezifische Problematik der jeweiligen Akteur*innen eingegangen. Gleichzeitig sollen aber auch die ideologischen und personellen Verbindungen (und der damit einhergehende Beitrag zur Normalisierung von Rechtsextremismus) zum Ausdruck kommen. Dabei stellt sich der Antifeminismus, wie so oft, sehr deutlich als einendes Element der Akteur*innen heraus.

2. „40 Tage für das Leben Passau“ und ihr Organisator, AfD-Kreistagsmitglied Andreas Eimannsberger

Andreas Eimannsberger ist der wohl aktivste christliche Fundamentalist in Passau. Der im Umkreis (Neukirchen v. Wald) wohnende selbsternannte „Lebensschützer“ hat im Herbst des vergangenen Jahres (25.9.19 bis 3.11.19) und ab 26. Februar 2020 bis zum Einsetzen der Corona-Maßnahmen als Passauer Ableger der Initiative „40 Tage für das Leben“ Mahnwachen durchgeführt. Im Kontext der je 40-tägigen Kampagne belagern Mitglieder der „Lebensschutz“-bewegung Praxen von Gynäkolog*innen und Beratungsstellen von Pro Familia. Andreas Eimannsberger führte hierbei täglich eine ein-Mann-Veranstaltung vor der Passauer pro familia Schwangerschaftskonfliktberatungstelle durch. Ab und zu wurde er vor Ort von weiteren Fundamentalist*innen bei seinem „Anti-Abtreibungsprotest“ unterstützt.

Die Initiative, die über die USA und Kroatien ihren Weg nach Deutschland fand, trat zuvor primär im Frankfurt und München auf. Verstrickungen der Initiative zu kroatischen Faschist*innen hat der Journalist Danijel Majic aufgedeckt.1 In einem Artikel des Antifaschistischen Infotickers Passau werden ebendiese Verbindungen zum Passauer Andreas Eimannsberger aufgezeigt.2 Einem Kommentar auf der Website der fundamentalistischen bis rechten „Demo für Alle“ nach zu urteilen, hat Eimannsberger auch an dieser teilgenommen. 3

Screenshot der Facebook-Seite "40 Tage Für das Leben Passau"

Bis vor kurzen existierte die Facebookseite „40 Tage für das Leben Passau“, vermutlich betrieben von Andreas Eimannsberger. Auf dieser wurde nicht nur massiv gegen das Recht auf Abtreibung gehetzt, auch wurden dort LGBTQI-feindliche Kommentare verbreitet und Beträge der holocaustrealtivierenden „Initiative Nie Wieder“ geteilt.4 Die Seite ist seit Februar 2020 gelöscht. Es würde angesichts der verbreiteten Inhalte nicht wundern, wenn die Löschung von Facebook ausging und demnach Verstöße gegen Facebookrichtlinien die Ursache für die Löschung waren. Die Website „KoalitionfuerdasLeben.com“ in der, wie der Infoticker berichtet hatte, Eimannsberger im Impressum stand5, ist interessanterweise mittlerweile auch offline.

Doch Eimannsberger ist viel mehr als ein christlicher Fundamentalist. Er ist AfD Politiker und sitzt seit März 2020 für die AfD im Passauer Kreistag, im Jugendhilfeausschuss sowie im Ausschuss für Bildung und Gesundheit6. Er betreibt Holocaust-Relativierung („Abtreibung macht frei“7) und ist bekennender Höcke-Fan8. Nachdem Eimannsberger aufgrund von Hetze gegen einen Arzt, welcher Schwangerschaftsabbrüche durchführt wegen „Beleidigung“ verurteilt wurde, erfuhr er von den “Christen in der AfD” (ChrAfD) und der fundamentalistischen “Privatdepesche“ Solidarität.9 Weiter ist er offenbar mit dem extrem rechten AfD Landtagsabgeordneten Ralf Stadler befreundet, welcher auch Eimannsbergers Mahnwache vor der pro familia Beratungsstelle in Passau besuchte und unterstützte. Gemeinsam nahmen die beiden AfD-Funktionäre u.a. erst kürzlich an einer Demonstration der selbsternannten „Coronarebellen“ teil.10 Bei der Demo gegen die vermeintliche „Corona Diktatur“ am 09. Mai in Passau trat Eimannsberger als Teil einer Delegation des Passauer AfD Kreisverbandes auf und trug ein an einer Stange befestigtes Kruzifix, das Bild eines Embryos mit der Aufschrift „Abtreibung ist Mord“ und ein Pappschild, auf welchem er zum „Wiederstand“ (sic!) aufrief, da es das Corona-Virus gar nicht gebe („Corona = Hoax“)11. Am darauffolgenden Sonntag (10.05.20) nahm Eimannsberger an der von Stadler organisierten AfD-Motorradweihe in Passau teil. Christliche Weihen werden von der AfD Niederbayern immer wieder mal durchgeführt12, wohl mit der Hoffnung dadurch auch im christlichen Milieu neue Mitglieder und/oder Stimmen zu gewinnen.

Außerdem ist der AfD-Abgeordnete Andreas Eimannsberger Anhänger von strukturell antisemitischen Verschwörungsideologien. Der Infoticker Passau berichtete bereits über Eimannsbergers Interesse an Reichsbürger-Ideologien, doch er begeistert sich auch für Weltverschwörungsmythen. Er kommentierte verschiedene Videos der extrem rechten verschwörungideologischen Seite bzw. Bewegung „QAnon“ und likete ein Video zu „Pizzagate“, einer Verschwörungserzählung welche besagt, dass die US-Politikerin Hillary Clinton einen Kinderpornoring betreiben würde. Weiterhin kommentierte er ein Youtube-Video über (alternative) „Geschichtsschreibung“ folgendermaßen:

Ewiges Vergelts Gott. Gott Schütze den Amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Ein wahrer Gottesmann. [...] Clinton und alle anderen Freimaurer samt Papst sind Menschenfresser, sie essen kleine Kinder. Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit Amen.“ 13

Zusammengefasst ist Andreas Eimannsberger also weit mehr als „nur“ ein christlicher Fundamentalist, der einsam gegen die Emanzipation betet. Er ist offenbar bestens vernetzt in christlichen Kreisen, in der extremen Rechten und nicht zuletzt ist er auf kommunalpolitischer und parlamentarischer Ebene für die AfD aktiv. Er scheut bei seinem Engagement vor Rechtsverstößen nicht zurück und tritt als Vertreter verschiedener Verschwörungsideologien auch öffentlich in Erscheinung.

3. Piusbruderschaft und ihre Anhänger*innen in der AfD Passau (Monika und Andreas Meißner)

Die „Priesterbruderschaft St. Pius. X“ (Kurz Piusbruderschaft) hat in Passau eine „Rosenkranzkapelle“ in der Kapuziner Str. 7514. Da das die einzige Kapelle im Umkreis ist, scheinen auch Personen aus Deggendorf, Freyung und Schärding für die Messen nach Passau zu kommen. Die Piusbrüder sind eine Vereinigung katholischer Fundamentalist*innen/Traditionalist*innen, welche sich weigern das zweite Vatikanische Konzil mit seinen Reformen anzuerkennen. Im Jahre 1988 wurden ihre Gründer Marcel Lefebvre und weitere Piusbrüder wegen Bischofsweihen ohne Zustimmung des Papstes exkommuniziert, welche allerdings 2009 von Papst Benedikt wieder zurückgezogen wurde.15
Die Piusbruderschaf gerät vor allem wegen Antisemitismus und Holocaustleugnung immer wieder in die öffentliche Kritik und fällt daneben auch durch sexuellen Missbrauch, Antifeminismus, Homosexuellen- und muslimfeindlichkeit auf.16

Die Piusbruderschaft weist neben einiger Mitglieder der Identitäten Bewegung17 auch eine Nähe zur AfD auf. Nach Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg trafen sich AfDler*innen und Piusbrüder im August 2018, um eine zunächst verdeckte Zusammenarbeit zu planen.18 Der AfD-Europaparlaments-Abgeordnete Maximilian Krah verteidigte und unterstützte die Piusbruderschaft als Anwalt außerdem in mehreren Fällen, so im Falle der Holocaustleugnung vom (mittlerweile ausgeschlossenen) Piusbruder Richard Williamson und bei der Vermeidung von Steuern bei einer Spende in zweistelliger Millionenhöhe. 19

Auch in Passau gibt es Verbindungen der AfD zur Piusbruderschaft. Die verheirateten extrem rechten AfDler*innen Monika und Andreas Meißner scheinen beide Anhänger*innen der Piusbruderschaft zu sein und das zweite Vatikanische Konzil abzulehnen. Andreas Meißner nahm, nach unseren Informationen, jedenfalls in der Vergangenheit, an Messen der Piusbruderschaft teil und Monika Meißners Facebookprofil weist sehr eindeutig auf eine Anhänger*innenschaft der Piusbruderschaf hin. Sie hat die Seite der Piusbruderschaft auf Facebook geliked und erst kürzlich (29.04.2020) den online-Gottesdienst der Piusbruderschaft geteilt.


Facebook-Profil von Monika Meißner  Likes von Monika Meißner

Daneben gefällt ihr auch auch die Seite „Pfarrer Hans Milch“, welche einem verstorbenen Pfarrer gewidmet ist, der dem Piusbruder Lefebvre nahestand und das zweite Vatikanischen Konzil für den Niedergang der Kirche verantwortlich machte. Monika Meißner hetzt außerdem auf ihrer Facebookseite in unzähligen Posts (darunter viele geteilte Posts von „Sundaysforlife“) gegen Schwangerschaftsabbrüche. Sie selbst bezeichnet sich als „Tradwife“ welche sich zu „traditionellen Familienwerten“ bekennt.20 Daneben hetzt sie massiv gegen Geflüchtete, Homosexualität, den sogenannten „Klimawahn“ oder die vermeintliche „Corona-Dikatur“ sowie die „Impflicht“. Sie verbreitet beispielsweise das Verschwörungsmythos nachdem abgetriebene Föten für Impfungen genutzt werden würden.

Auch Andreas Meißner verbreitet über Facebookseite menschenfeindliche Hetze. In einem Beitrag behauptet er holocaustrelatvierend und selbstbestimmungsfeindlich: „In Deutschland findet seit Jahren der GRÖßte VÖLKERMORD DER GESCHICHTE statt: Sechs Millionen tote Babys. Bis jetzt...“.21 In anderen Beiträgen nutzt er offen rassistisches Vokabular wie „Volkstod“, „Umvolkung“ und „fremdvölkische BRDReisepaßinhaber“, wähnt sich als Opfer eines vermeintlichen „weißen Genozid“ 22 und glorifiziert Waffen.

Monika Meißner teilt Video "Abgetriebene Babys für Herstellung von Impfstoffen?"Andreas Meißner teilt Beitrag der National Rifle Association (NRA)

 

4. Rechtskatholische Akteur*innen an der Universität Passau

4.1 Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig

Die Professorin Barbara Zehnpfennig lehrt seit 1999 an der Uni Passau und leitet hier den Lehrstuhl für „Politische Theorie und Ideengeschichte“. Zuvor lehrte sie an der Bundeswehr Uni in Hamburg und in Berlin.23 Sie ist (Mit)-Herausgeberin und Autorin von zahlreichen Büchern, Aufsätzen und Artikeln für verschiedene Zeitungen, u.a. für die ZEIT, die FAZ und „Christen in der Gegenwart“. Zehnpfennig ist bekennende Katholikin, die sich insbesondere in ihren journalistischen Texten gerne auf das Christentum bezieht. 24

Sie ist außerdem:

  • Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

  • Mentorin im Max-Weber-Programm der Studienstiftung des Deutschen Volkes,

  • Vertrauensdozentin der Studienstiftung des Deutschen Volkes

Gemeinsam mit anderen Rechtsextremen bis Rechtskonservativen wie u.a. dem ehemalig wissenschaftlichen Mitarbeiter der Uni Passau und Werte Union Mitglied Werner J. Patzelt25 (Nach seiner Habilitation in Passau im Jahr 1990, lehrte er bis 2019 in Dresden) ist sie Gründerin des „Zentrum für Gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration e.V.“26 und Mitautorin des Buches „Balanceakt für die Zukunft Konservatismus als Haltung“27. Patzelt stand wegen seines Einsatzes für die AfD an der Uni Dresden in der Kritik.

Extremismustheorie, NS-Relativierung und Antikommunismus

Zehnpfennig versteht sich selbst als Vertreterin des Konservatismus und ist Anhängerin der Extremismustheorie, auch bekannt als „Hufeisentheorie“. Dieser folgend wird behauptet, es gäbe eine „politische neutrale Mitte“ des politischen Spektrums bzw. der bürgerlichen Gesellschaft, welche das Gute und Bewahrenswerte verkörpert und zwei sich, wie bei einem Hufeisen einander annähernde, linke und rechte Ränder im politischen Spektrum, welche die „Mitte“ bedrohen würden. Dieses theoretische Modell wurde schon vielfach widerlegt28. Die Gleichsetzung von Links und Rechts verkennt die fundamentalen Unterschiede zwischen den beiden Strömungen. Während Linke nach Emanzipation und einer besseren Gesellschaft für alle streben, basiert rechtsextremes Gedankengut auf Ungleichheit und Menschenfeindlichkeit. Auch die Vorstellung einer „Mitte“ die frei von menschenfeindlichen Ideologien ist, ist nicht haltbar wie z.B. die „Mitte-Studien“ aufzeigen29. Wer die Extremismustheorie vertritt bedient sich insofern einer neurechten Strategie, welche zur Verharmlosung von Rechtsextremismus und der Kriminalisierung von Antifaschismus beiträgt.

In einem Beitrag von 2019 über den Aufstieg der AfD behauptet Zehnpfennig, die CDU hätte sich zu sehr an rot-grünen Wähler*innenstimmen orientiert und Wähler*innen „die etwa mit dem Atomausstieg oder der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden waren, mangels Alternative zur Wahlenthaltung“30 gebracht. Mit anderen Worten, die Ursache für den Aufstieg der AfD sieht Zehnpfennig darin, dass rassistischen Forderungen nach Grenzschließungen von der CDU nicht ernst genug genommen wurden. Das Gegenteil ist der Fall. Genau das Verständnis und die damit einhergehende Verharmlosung von Rassismus, hat diesen erst normalisiert und zum Aufstieg von AfD und Pegida beitragen. Weiter bezeichnet Zehnpfennig antifaschistische Aufklärungsarbeit abwertend als „Volkspädagogik“, hier greift sie auf das neurechte Narrativ das unter dem Schlagwort „Political Correctness“ firmiert zurück, und bemängelt eine angebliche Einseitigkeit, weil nicht zum „Kampf gegen ‚links‘“ aufgerufen werde. Im Großen und Ganzen bedient sie damit das rechte Narrativ, wonach der Feind eigentlich Links stehe und verharmlost menschenfeindliches und nationalistischen Gedankengut als – in ihren Worten – „legitime patriotische Gefühle“31.

Zehnpfennig stellt außerdem wie in rechten Kreisen weit verbreitet, in geschichtsrevisionistischer und NS-relativierender Manier, den Kommunismus auf eine Ebene mit dem Nationalsozialismus. Sie ist Herausgeberin mehrerer Bücher zum Vergleich von Nationalsozialismus und Kommunismus.32 Als „Auftaktveranstaltung zum an der Universität Passau stattfindenden länderübergreifenden Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus am 24. Januar 202033  nahm sie an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel: „Diktatur und Erinnerung. Über unseren Umgang mit der kommunistischen und der nationalsozialistischen Diktatur“34 teil. Anders als man es vom einem „Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus“ erwarten würde, referierte Zehnpfennig zu dem Thema: „Die DDR neu erzählen? Die politische Instrumentalisierung von Diktatur-Erinnerung“. Wenn auch eine kritische Aufarbeitung der DDR sicherlich notwendig ist, so ist ein Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus der falsche Ort dafür. Bei der ganzen Veranstaltung scheint weniger den Opfern des Nationalsozialismus gedacht als die Gedenkveranstaltung genutzt worden zu sein, um Antikommunismus zu verbreiten. Angesichts der Tatsache, dass Antikommunismus ein wichtiger Bestandteil der NS-Ideologie war und Kommunist*innen zu erklärten Feind*innen zählten und insofern Opfern der Vernichtungsindustrie waren, wirkt Zehnpfennigs Themenbeitrag zu einer Veranstaltung für die Opfer des NS-Regimes mehr als unwürdig.

Antifeminismus und antimuslimischer Rassismus

Professorin Barbara Zehnpfennig hält nicht viel von Feminismus, dies hat sie laut Berichten von Student*innen mehrmals in ihren Vorlesungen deutlich gemacht. Dementsprechend ist es auch wenig überraschend, dass sie neben einem weiteren Professor der Universität Passau, Prof. Dr. Christoph Barmeyer (Inhaber des Lehrstuhls für Interkulturelle Kommunikation), zu den Unterzeichner*innen der Petition „Schluss mit dem Gender-Unfug gehört, welche am 06.03.2019 online ging und vom „Verein Deutsche Sprache“ (VDS)35 initiiert wurde36. Die Petition hetzt mit Scheinargumenten gegen geschlechtergerechte Sprache und lamentiert den „zerstörerischen Eingriff in die Deutsche Sprache“37 – als wenn es eine natürliche und überzeitliche Deutsche Sprache gäbe. Der Kreis der Initiator*innen und Unterzeichner*innen der Petition besteht aus einem breiten Spektrum antifeministischer Akteur*innen von der extremen Rechten bis ins konservative Milieu38. Zu den vier Initiator*innen der Petition gehört der erste Vorsitzende des antifeministischen VDS, der Dortmunder Statistik-Professor Walter Krämer39. Er fiel kürzlich damit auf, dass, so der AStA Dortmund, ein „Zitat von Adolf Hitler zum Rauchen, eine antimuslimisch-rassistische Äußerung Hans-Olaf Henkels sowie eine geschmacklose Karikatur Greta Thunbergs“40 in seinem Schaukasten hing. In Interviews und Stellungnahmen, u.a. in der neurechen Jungen Freiheit, sprach er von einer „rot-grüne(n) Medienmafia“ oder dem „sprachlichen Krebsgeschwür“ der „durchgeknallten Geschlechtsneurotiker“41 und bedient damit nicht nur klassische antifeministische sondern auch antisemitische Narrative, wie die einer krebsartigen Zersetzung des „deutschen Volkes“ von außen.

Der antifeministische Hintergrund von Zehnpfennig macht es wenig glaubhaft, wenn sie in einem Artikel in „Christ in der Gegenwart“ im Namen der Gleichberechtigung behauptet es gäbe „Kein Grundrecht auf Burka“. Hier geht es wohl eher darum antimuslimische Ressentiments zu bedienen, als um tatsächliche Gleichberechtigung. Die Möglichkeit, dass Frauen selbstbestimmt entscheiden ein Kopftuch zu tragen, spricht Zehnpfennig muslimischen Frauen komplett ab und betrachtet sie allein als Opfer. Im selben Artikel entpolitisiert sie zugleich Übergriffe auf dem Oktoberfest. Während die Burka ein „Zugriff aus reiner Machtdemonstration, der den anderen restlos zum verachteten Objekt degradiert“ sei, seien Übergriffe auf dem Oktoberfest nur ein „Zugriff aus Begehren“. Die Einbettung von Übergriffen auf dem Oktoberfest in ein strukturelles patriarchales Herrschaftsverhältnis wird hier von Zehnpfennig negiert (wie übrigens auch bei dem erzwungenem Tragen der Burka, wenn sie schreibt „Das Verhüllungsgebot hat also einen rein sexuellen Hintergrund“) und die klassische sexistische Vorstellung vom „trieb-gesteuerten“ Mann, der nur aufgrund das sexuellen Begehrens übergriffig handeln würde, bedient.

Zehnpfennig kritisiert weiterhin – nicht ganz zu Unrecht – dass das Tragen einer Burka die Frau aus der Öffentlichkeit verdränge und sie als (gleichberechtigten) Teil der Gesellschaft unsichtbar mache. Zehnpfennig schließt daher, dass jegliche Form muslimischer Verschleierung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Verdrängung der Frau der Öffentlichkeit durch ihren Ausschluss aus der Sprache bzw. die Vermeidung weiblicher Formen im Sprachgebrauch scheint Zehnpfennig jedoch als wertvolles kulturelles Gut zu verstehen, welches es zu bewahren und vor „gendergerechter Sprache“ zu schützen gelte. Ihre Argumentation ist demnach schlichtweg widersprüchlich und steht feministischen Emanzipationsbestrebungen entgegen.

4.2 „Pro Life Passau“-Hochschulgruppe

Die Hochschulgruppe „Pro Life Passau“, welche gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch hetzt, wurde im Herbst 2019 an der Universität Passau gegründet. Sie ist eine von 6 Hochschulgruppen des Dachverbands „ProLife Europe“ in Deutschland42 und ist bisher, soweit bekannt, in Passau (nur) zwei Mal öffentlich in Erscheinung getreten. Allerdings hatten die öffentlich aktiven Mitglieder von „Pro Life Passau“ schon vor ihrer Gründung mit der KSG („Katholische Studentengemeinde“) Passau im November 2018 die radikale Abtreibungsverbotsbefürworterin Bethany Janzen von „ProLife Europe“ und der „Jugend für das Leben Österreich“ eingeladen.43 Die „Jugend für das Leben“ hat offenbar kein Problem damit ihre Aktionen, darunter viele Videos von und mit Janzen, auf der extrem rechten christlich-fundamentalistischen Hetzplattform „Gloria TV“ zu bewerben. Die Vernetzung mit Janzen könnte der Anstoß für die Gründung von „Pro Life Passau“ gewesen sein. Auf Twitter schrieb Janzen, dass es ihr Ziel sei mit der der „Jugend für das Leben“ eine „pro-life generation in Europe“ aufzubauen. 44

Jugend für das Leben - beworben auf der fundamentalistischen Hetzplattform GloriaTV


Das erste Mal trat Pro Life Passau als Hochschulgruppe am 26.10.2019 als Teilnehmerin der „40 Tage für das Leben“-Mahnwache des extrem rechten AfDlers Andreas Eimannsberger in Passau öffentlich in Erscheinung.45 Nach aktuellem Kenntnisstand hatte einzig die holocaustrelativierende „Initiative Nie Wieder“ auf der schon erwähnen Plattform „Gloria TV“ öffentlich zur Unterstützung des christlichen Fundamentalisten Eimannsberger zum 26.10.2019 aufgerufen. An der von der „Initiative Nie Wieder“ betriebene Holocaustrelativierung durch den Vergleich von Schwangerschaftsabbrüchen mit der Shoa („Babycaust“), scheint Pro Life Passau sich jedoch nicht zu stören. Auch von einem Kommentar von der „Initiative Nie Wieder“ unter einem der Facebook-Posts der Hochschulgruppe wurde sich nicht distanziert, die Annäherung also mindestens toleriert. 46

Des Weiteren veranstaltete die Hochschulgruppe einen wenig erfolgreichen Infostand auf dem Uni-Gelände und verbreitet antifeministische Hetze über Facebook. Ein Blick auf ihre Facebookseite zeigt außerdem, dass sie gut vernetzt ist mit Pro Life Gruppen in anderen Städten. Sie hatten sich offenbar schon vor der offiziellen Gründung mit Pro Life Freiburg zur Vorbereitung des „Marsch für das Leben“ (siehe Abschnitt zu Oster) in Berlin getroffen47, an dem sie vermutlich auch teilnahmen.

4.3 Katholische Studentenverbindung Oeno-Danubia

Die Katholische Deutsche Studentenverbindung Oeno-Danubia ist Mitglied im Cartellverband (CV)48, also als reiner Männerbund organisiert. Sie schließt insofern schon allein durch ihre Struktur Frauen und nicht-binäre Personen aus. Frauen sind nur zu bestimmten, im Semesterprogramm mit Herzchen gekennzeichneten, Anlässen eingeladen. Veranstaltung „zu Ehren der Damen“ werden mit Zitaten wie „Wer nicht in der Lage ist eine schöne Frau zu bewundern, der ist irgendwie tot“49 oder „Schönheit ist überall ein gar willkommener Gast.“50 unterlegt. Dies weist bereits auf ein antifeministisches Frauenbild hin, wonach Frauen allein auf ihr Äußeres reduziert und zu reinen Anschauungsobjekten degradiert werden.

Die Oeno-Danubia versucht vor allem mit gemeinschaftlichen Kneipen- oder Damenabenden zu locken, lädt aber auch immer wieder zu politischen Vorträgen ein. 2015 wurde z.B. der ehemalige AfDler (zu Zeiten von Bernd Lucke) Joachim Starbatty als Referent eingeladen51. Im November 2018 fallen außerdem zwei (angekündigte) Vorträge mit explizit rechtem politischen Hintergrund auf. Am 9. November, Jahrestag der Reichspogromnacht, wurde Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpoIG) als Festredner eingeladen.52 Wendt stand aufgrund seiner rassistischen Aussagen (mit Begriffen wie „Abschiebeverhinderungsindustrie“) und seiner strikten Law&Order Politik bereits mehrmals öffentlich in der Kritik. Sowohl Wendt selbst als auch die DPoIG versuchen aktiv sich der AfD und anderen extrem-Rechten Organisationen und Zeitungen wie die Junge Freiheit oder dem Compact Magazin anzubiedern53.
Für den 15. November 2018 war eine Veranstaltung mit Hedwig von Beverfoerde zum Thema „Entwicklungen von Geschlechterrollen und sexueller Identität in den vergangen Jahren“ angekündigt (die allerdings kurzfristig aus terminlichen Gründen auf unbestimmte Zeit verschoben wurde).54 Das Thema mag auf ersten Blick harmlos klingen, mit Blick auf den Hintergrund der Referentin ist jedoch offensichtlich, dass dieser zur Verbreitung antifeministischer Hetze dient. Beverfoerde ist Koordinatorin der homophoben und antifeministischen Protestbewegung „Demo für alle“ und hetzt gegen Schwangerschaftsabbrüche und queere Personen.55

Am 26.10.2019 nahmen, wie auch „Pro Life Passau“, die Mitglieder der Oeno-Danubia Nicolas Bullmann56 und Valentin Freytag57 an der „40 Tage für das Leben“ Mahnwache des heutigen AfD-Kreistagsmitglied Andreas Eimannsberger teil, zu der die „Initiative Nie Wieder“ öffentlich aufgerufen hatte. Als die Teilnahme der Verbindungsstudenten durch die Kampagne „Völkische Verbindungen Kappen“ problematisiert wurde, distanzierte sich die Oeno-Danubia nicht von der Mahnwache. Im Gegenteil: Der Männerbund organisierte ein „solidarisches Rosenkranzbeten“ für das Verbindungsmitglied Bullmann, weil dieser angeblich an den „modernen Pranger“ gestellt worden sei.58 Unterstützung bekam die Oeno-Danubia dabei nicht nur von den Hochschulgruppen RCDS, LHG und Pro Life Passau, sondern auch von dem Mitglied der Identitäten Bewegung Alex Schleyer und Mitgliedern der extrem rechten Passauer „Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf“.59 Darunter u.a. der ex-NPDler Alexander Salomon und dessen Verbindungsbruder Tobias Lipski. Letzterer stand zeitweise wegen rechtsextremer Betätigung im Visier des Militärische Abschirmdienst und im Verdacht, an einer Anschlagsplanung beteiligt gewesen zu sein. 60

Die Skandalisierung der vermeintlich illegitimen öffentlichen Kritik an der Teilnahme ihrer Verbindungsbrüder an den fundamentalistischen Protesten gegen die lokale Schwangerenkonfliktberatung trug die christliche Studentenverbindung bis in verschiedene Verwaltungsgremien der Universität Passau. Die Bestrebungen der Verbindungsbrüder eine irgendwie geartete Vergeltung oder Zurechtweisung ihrer Kritiker*innen (für einen außeruniversitäten Konflikt wohlgemerkt) auf universitärer Ebene auszutragen, wurde erschreckender Weise sogar durch die (ehemalige) Universitätsleitung Raum gegeben. Entgegen der Behauptung der Oeno-Danubia wurden keine privaten Daten, die nicht zuvor schon auf der Website der Oeno zu finden waren, veröffentlicht. So wie es auch keine „reinen Implikationen und Spekulationen“ waren die zur Kritik veranlassten und es wurde auch nicht behauptet, die Oneo-Danubia sei rechtsextrem, sondern die Kooperation mit Rechtsextremen wurde kritisiert. Bis zuletzt wurde sich leider dennoch auch von Seiten der Universitätsleitung nicht klar gegen diese Falschbehauptungen und der Kooperation der Oeno-Danubia mit extrem rechten Akteur*innen positioniert. Stattdessen wurde das Ganze als Aktion Linker gegen harmlose andersdenkende Konservative verklärt und die Falschbehauptungen der Oeno-Danubia reproduziert, wozu sicherlich auch eine gute Vernetzung der Oeno-Danubia in universitären Gremien beigetragen hat.

5. Bischof Stefan Oster (Bistum Passau) und der „Marsch für das Leben“

Auch Stefan Oster, seit 2014 Bischof von Passau und einer der jüngsten Bischöfe Deutschlands, lässt sich dem Rechtskatholizismus zuordnen. Er vertritt offen antifeministische bis frauenfeindliche sowie homophobe Positionen. Zudem fällt Stefan Oster durch Gleichsetzung von „Links“ und „Rechts“ und damit einhergehender Verharmlosung rechter Gruppen auf. 61

Marsch für das Leben

Prominentestes Beispiel für Osters Antifeminismus ist sein Engagement gegen Abtreibungen. Für seine problematischen Positionen wurde er durch einen Redebeitrag beim „Marsch für das Leben“ 2019, einer jährlich stattfindenden Veranstaltung sogenannter „Lebensschützer“, bundesweit bekannt. Der „Marsch für das Leben“ ist ein Sammelbecken von Antifeminist*innen. Immer wieder laufen auch Rechte wie Beatrix von Storch62 bis hin zu bekannten Neonazis63 repräsentativ in vorderster Reihe mit. Dies jedoch hielt Stefan Oster nicht davon ab, beim „Marsch für das Leben“ aufzutreten. In seiner Rede sagte Oster, es sei ein „ungeheuerlicher“ Skandal, dass in Deutschland Abtreibungen vorgenommen werden. Er bediente sich dabei eines altbekannten Argumentes unter selbsternannten „Lebensschützer*innen“: Abtreibungen seien „weltweit die häufigste gewaltsame Todesursache“ und seien weiterhin eine Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Antisemitismus und Homophobie, jedoch weiter verbreiteter und tödlicher.64 Hiermit verharmlost Oster die Diskriminierungserfahrungen, welche die Betroffenen von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, wie People of Color und Jüd*innen in Deutschland machen müssen.

Homophobie

Da Oster immer wieder durch homophobe Äußerungen auffällt, ist seine Sorge um Vorbehalte gegenüber „Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung“ nicht glaubhaft: In Interviews und eigenen Texten setzt sich Oster vehement gegen die Ehe für alle ein und vertritt eine heteronormative Weltanschauung: Sexualität sei natürlicherweise eine Sache zwischen Mann und Frau – allerdings könne sich die sexuelle Orientierung im Leben eines Menschen verändern, „verwahrlosen“. Hierbei zieht er Parallelen zwischen Homosexualität und Pädophilie, die Beide für ihn Abweichungen von der natürlichen Sexualmoral darstellen. 65

Ehe als „unauflöslicher Bund“, auch bei Gewalt.

Neben diesen homophoben Ansichten vertritt Stefan Oster in seinen theologischen Auseinandersetzungen mit Sexualität auch offen frauenfeindliche Positionen: Angesprochen auf, unter anderem, Gewalt in der Ehe als Trennungsgrund antwortet Stefan Oster: „Das Versprechen am Altar lautet nicht: Ich bleibe bei dir, wenn die Tage ein bisschen schlecht sind. Es umfasst ganz schlechte Tage. Soll ich einer solchen Frau sagen: »Wir haben die Lehre geändert, Sie können jetzt Ihren Mann verlassen und einen anderen heiraten«?“.66 Diese Aussage verharmlost Gewalt an Frauen nicht nur, in ihr ist zugleich eine Täter-Opfer-Umkehr enthalten. Nicht der Täter muss sich für seine Tat verantworten, sondern die Frau wird für schuldig erklärt, wenn sie plant aus dem Gewaltverhältnis auszubrechen.

6. Fazit

In Passau offenbart sich ein regional und überregional gut vernetztes rechtskatholisches Milieu, welches in wichtigen Institutionen wie Universität, Stadt-, Kreis- und Landtag und Bistum vertreten ist und somit durchaus einen gewissen Einfluss genießt. Rechtskatholische Akteur*innen tragen immer wieder zur Normalisierung von Rechtsextremismus bei – teils durch Verharmlosung und mangelnde Abgrenzung von rechtsextremen Gedankengut und dessen Akteur*innen, teils indem sie sich selbst als Vertreter*innen von rechtsextremem Gedankengut und Strukturen engagieren. Wie besonders die „40 Tage für das Leben“ Mahnwache zeigt, sind es vor allem antifeministische Anlässe, zu denen viele dieser Akteur*innen, über alle inhaltlichen oder institutionellen Differenzen hinweg, zusammenfinden. Umso wichtiger ist es, Antifaschismus und Feminismus zusammenzudenken und sich konsequent gegen die Verharmlosung von Rechtsextremist*innen und Antifeminist*innen und einer Zusammenarbeit mit ihnen zu positionieren.